Rückzug aus Frauenfeld

Das Militär zieht demnächst aus der Stadtkaserne Frauenfeld aus. Anlass genug für Historiker Stefan Keller, im Auftrag der Stadt die Thurgauer Militärgeschichte wieder einmal kritisch zu beleuchten. Am Freitag ist Vernissage der Freilichtausstellung «Die Kaserne wird zivil».
Von  Roman Hertler
Nach dem Zapfenstreich: Soldatenszene in der Kaserne. (Bild: Privatarchiv Stefan Keller)

Für einmal ist es eine echte Innenstadtaufwertung. 2019 gab der Bund bekannt, dass die Armee die Stadtkaserne Frauenfeld bis spätestens 2023 entmilitarisieren und das Areal der Stadt im Baurecht übergeben will. Seither wird in Frauenfeld heiss diskutiert, was mit dem Gebäudekomplex geschehen soll. Vorgesehen sind schrittweise Sanierungen und drei- bis zehnjährige Zwischennutzungen.

Bevor es soweit ist, hat die Stadt den Thurgauer Historiker (und Saiten-Kolumnist) Stefan Keller beauftragt, der Geschichte der Stadtkaserne nachzuspüren. Keller liess sich nicht zweimal bitten, holte sich Ausstellungsmacher Johannes Stieger an Bord und konzipierte mit ihm die Freiluftausstellung «Die Kaserne wird zivil», die einmal rund um die noch immer streng bewachte Kaserne führt und noch bis Ende Oktober zu sehen ist. Geplant ist ausserdem ein Buch, das nächstes Jahr erscheinen soll.

Wer Keller kennt, wird nicht überrascht sein, dass der Ausflug in die Historie sich nicht auf Militär- und Architekturgeschichtliches beschränkt, auch wenn es auf diesen Gebieten schon genug zu erzählen gäbe. Zum Beispiel über jenen eidgenössischen Generaladjutanten, der in der Schlacht bei Frauenfeld 1799 umkommt und nicht mehr mitbekommt, dass er gleichentags zum General befördert wurde.

«Die Kaserne wird zivil»: Freiluftausstellung rund um die Stadtkaserne Frauenfeld,
bis 30. Oktober

Vernissage ist am Freitag, 19.August. Der Rundgang startet beim Casino-Kreisel.

Keller stellt, wie er es schon in seiner Thurgauer Sozialgeschichte Spuren der Arbeit (2020) getan hat, Zusammenhänge her zwischen Einzelschicksalen und den grossen weltpolitischen Zusammenhängen: Thurgauer in niederländisch-indischen Solddiensten; Waffenproduktion in Frauenfeld; Preussen als Vorbild des schweizerischen Militarismus, der angewiesen ist auf grossflächige Waffenplätze wie Frauenfeld; die Armee als «Leibgarde der Bourgeoisie»; die Geschichte des Arboner Pazifisten Max Daetwyler, der 1914 bei der Kriegsmobilmachung in Frauenfeld den Eid verweigert und 1964 auf dem Roten Platz in Moskau für die Vernichtung aller Atomwaffen demonstriert.

Und natürlich gibt es auch bei dieser Ausstellung ein paar amüsante Bijoux aus Kellers Bildarchiv, etwa die Karikaturen des nächtlichen Kasernenlebens oder die soldatischen Postkarten an die angebeteten Fräuleins. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe hat sich noch keine militärische Stelle über die Inhalte der Ausstellung beschwert.