Rock’n’Roll oder: Nach euch kommt die Disco

Die Aeronauten sind eine Bande Irrer mit guten Texten. Sagen sie. Und was sagen die andern? Diana Zucca hat Tourfahrer Peter «Pepi» Rausch befragtDie Aeronauten spielen am Samstag am St.Galler Parkplatzfest.

Von  Gastbeitrag

Zwei Tage warst du mit den Aeronauten in Hamburg. Was lief da?

Pepi: Hamburg war die einzige Station, wo wir zwei Tage waren, das war super. Ich kenn mich ja ein bisschen aus, und zehn Minuten, bevor wir in der Kogge, dem Punkrockhotel, ankamen, gab ich Marc nen Funk, er solle mal fünf grosse Bier einlaufen lassen. Dann hiess es, jetzt gehn wir essen, ins Portugiesenviertel. Ich war verschwitzt, wollte erst mal duschen. Das Hotel ist wirklich speziell, kultig, aber es hat nur eine Dusche und ein WC. Ich stand also vor dieser Dusche und fragte mich, ob ich mich wohl besser fühlte, wenn ich diese benutzen würde, oder nach zwölf Stunden Autofahrt so blieb, wie ich war.

Und?

Ich habe geduscht, aber schön vorsichtig, mit Badelatschen und so. Das Zimmer teilte ich mit Motte (Roman Bergamin, Trompeter), es lag im Erdgeschoss, gleich rechts neben der Bar. Ein kleines Zimmer, Matratzen, kein Schrank, kein Tisch, dafür Verstärker und Musikinstrumente. Auf dem Kopfkissen lagen statt den obligaten Schokolädchen Ohrenstöpsel, und die brauchte man, weil bis morgens um fünf ist Barbetrieb, jeden Tag, da ist Action, und du bist fünf Meter von dieser Bar entfernt. Zudem wurden gerade Bauarbeiten an der Fassade ausgeführt. Frühmorgens kamen die Handwerker. Du schliefst also um fünf Uhr etwa ein, um acht standen die Bauarbeiter da, mit Hammer und Bohrer, direkt vor deinem Fenster. Zwei Nächte waren das, bevor wir nach Berlin weiterzogen.

Die Aeronauten on the road

Wie ist es denn nun, mit dieser selbstdeklarierten «Bande Irrer mit guten Texten» unterwegs zu sein?

Das sind Jungs, die Bock aufeinander haben. Aufs Musikmachen, Unterwegssein. Die zwölf Stunden Fahrt nach Hamburg, die vergingen wie im Flug. Die sind nicht voll oder am pennen, sondern es ist lustig und kurzweilig. Im Vergleich dazu habe ich schon Bands gefahren, die vor, während und nach dem Auftritt extrem viel getrunken haben, und dann war ich oft der Einzige, der wach und nüchtern war, alles andere schlief hinten, da musste man nur die Heizung aufdrehen und dann waren alle ruckzuck weg.

 Gespielt wurde in Hamburg auf einem Schiff, der Frau Hedi.

Ja, am frühen Abend. Das Schiff fuhr zwei Stunden durch den Hafen, da wurde je ein Set gespielt. Nach der ersten Runde waren die Biervorräte leer. Das Konzert war schon zwei Wochen vorher ausverkauft, das Schiff pumpenvoll, und ich dachte, wenn die jetzt noch anfangen rumzuspringen, bringen die den Kahn zum Sinken. Nichts für Klaustrophobiker.

 Was für ein Publikum haben die Aeronauten in Deutschland?

Praktisch alles Leute, die die Aeronauten während vielen, vielen Jahren kennen, treue Fans, immer so an die 100 bis 150 Leute. Für die sind die Aeronauten Kult. In Bremen war einer, der ist extra 300 Kilometer weit gefahren. Der hat sogar eine Band gegründet, die genau so tönen muss wie die Aeronauten. Was mir ausserdem auffiel: Bei den anderen Bands, mit denen ich unterwegs war, reichte ein kleines Tischen für die Merchandise, zwei, drei CDs, und ein paar T-Shirts aufgehängt, fertig. Bei den Aeronauten ist der Plattentisch voll, mit Singles, LPs, und Krimskrams, und das wird gekauft. CDs auch, aber der typische Aeronauten Fan hat definitiv seine Singles und Vinyl im Schrank.

 Gibts auch junge Fans, eine Art «Nachkommenschaft»?

Ist ein Diskussionspunkt in der Band. Das haben sie bis jetzt irgendwie verpasst, und das nervt sie auch ein wenig, dass der Generationenwechsel nicht wirklich stattgefunden hat. Es braucht einen Auslöser, um an junges Publikum zu kommen, das ist die Frage, wie kommt man da hin. Solche Fragen stellen sie sich schon, es ist nicht so, dass sie sich einfach auf dem Kultstatus ausruhen.

 Aeronauten live – was ist daran besonders?

Egal, ob in Hamburg, Bremen, Berlin, Osnabrück oder im Emmental, wo wir vorletzte Woche waren, das Publikum ist ruckzuck dabei, und die Band auch. Es braucht in der Regel nicht lange, bis der Funke springt. Olifr (M.Guz, Sänger und Gitarrist) sagt immer, wir sind seit fünfzig Jahren zusammen. Gefühlte, natürlich, eigentlich sind’s ja zwanzig. Auch nach dieser Zeit hast du das Gefühl, das ist eine junge Band, die sich grad gefunden hat, die richtig motiviert ist und findet, jetzt müssen wir raus, etwas machen. Das war bei jedem Konzert so. Egal, obs ausverkauft war oder nicht, ob mehr oder weniger Leute da waren, nach dem ersten, zweiten Song gings ab.

 1586 Liter Weisswein seien im Laufe der Jahre konsumiert worden, heisst es im Pressetext. Der Rock’n’Roll wird also auch ein wenig gefeiert?

Ja, schon. Wobei man sagen muss, dass es während dem Soundcheck absolut professionell zu und her geht. Beim Essen wird vielleicht ein Glas Wein getrunken oder so, gerade Motte und Roger (Greipel, Saxophon) schauen extrem drauf, weil sie finden, wenn sie ein, zwei Bier zu viel haben, spielen sie ihre Soli nicht mehr so, wie sie sie gerne spielen würden.

Eine richtig disziplinierte Truppe also?

Während dem Konzert definitiv. Auch nach dem Konzert: Es ist keine Truppe, die singend und grölend durch die Strassen zieht. Es ist gediegen, und das kann schon mal bis in die frühen Morgenstunden gehen.

 Was meinen die «Ehefrauen»?

Die warn nicht dabei, ich hab sie nicht gefragt. Weiss nicht, was die denen dann erzählen.

Ist es so ein bisschen ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Frauen auf Tournee nicht dabei sind?

Vom Platz her wärs möglich, dass die eine oder andere mitkäme. Obs ihr gefällt, bezweifle ich, zumal die Frauen schon an so vielen Konzerten dabei waren, dass sie froh sind, wenn die Männer das alleine machen. Es ist schon mehr das Kumpelding. Und es ist halt schon so, dass die Männer gern bis in die frühen Morgenstunden rumquatschen. Ich habs schon erlebt, dass Jungs die besten Partys verpassten, weil die Frauen nach einer Stunde genug hatten, und die Männer dann mitmussten ins Hotel.

 Mit oder ohne Partys – eine Tournee katapultiert einen ziemlich aus dem Alltagsrhythmus – gibts da Schwierigkeiten, sich wieder zurechtzufinden?

Ich habe vom einen oder andern gehört, dass er zwei bis drei Tage brauchte, bis er sich an den normalen Rhythmus gewöhnt hatte. Nach einer Woche Halbschlaf im Bus und wenig Schlaf im Hotel bist du schon ein wenig von der Rolle.

Tourfahrer Peter «Pepi» Rausch Man ist ja auch sämtlicher Alltagspflichten entbunden.

Du wartest die meiste Zeit. Man hockt im Bus, wartet, bis man von Hamburg nach Berlin gefahren ist, kommt an, geht ins Hotel, geht in den Club, wartet, bis der Techniker da ist. Nach dem gemeinsamen Soundcheck wird gegessen, dann wird wieder gewartet. Das Warten kann ganz unterschiedlich sein mit verschiedenen Bands. Mit den Aeronauten ist auch das Warten sehr kurzweilig. Das sind alles Entertainer, und manchmal brauchts nur ein Wort. Wir hatten jeweils am nächsten Tag noch Muskelkater vom Lachen.

 Gibt es eine Art Rangordnung in der Band?

Es ist eine Freundschaft da, und auch ein grosser Respekt voreinander. Ich habe das Gefühl, jeder ist gleichberechtigt. Musikalisch mag Olifr federführend sein, aber auf Tour gibt es keinen, der etwas sagt, und der Rest macht. Es ist ein Miteinander. Auch am Morgen beim Frühstück, da ist niemand verkatert, schlecht gelaunt, man hat das Gefühl, die saugen alles raus, geniessen auch den Morgen, freuen sich, wieder in den Bus zu steigen, in die nächste Stadt zu fahren und schauen, was dort läuft.

 Gesundheit? Älterwerden, ist das ein Thema?

Auf Tour ist das kein Thema. Aber es ist auch nicht so, dass wenn wir von Hamburg nach Berlin fahren, an der Tanke eine Kiste Bier kaufen, und in Berlin ist die Kiste leer, soweit geht der Rock’n’Roll doch nicht, oder nicht mehr. Es kann schon sein, dass beim Zwischenhalt zur obligaten Currywurst ein Bier getrunken wird, aber es ist nicht so, dass es im Bus ein Gelage gibt. Generell glaub ich, dass jeder froh ist, wenn er zuhause ist und es da wieder Gemüse und anderes Zeug gibt. Aber ich glaub, die vertragen das auch auf Tour. Ich hab nach jedem Konzert den Bus jeweils ein wenig saubergemacht, und hab einiges an Chips und Junk-Food-Sachen rausgeschleppt. Es ist nicht so, dass die Aeronauten auf Tour sich ein paar Kilo Äpfel und eine Staude Bananen kaufen würden.

 Du bist schon seit bald zwanzig Jahren mit Bands unterwegs, Anfangs mit Pride, Buffalo Ballet, was ist dein Anreiz? Ist es das Rock’n’Roll Leben als Gegensatz zum Alltag, oder ist es auch eine Freundschaftsgeschichte?

Ich muss die Leute kennen, und nicht nur kennen, sondern auch mögen, sonst mach ichs nicht. Ich mach das ja nicht zum Geld verdienen, es ist ein Hobby von mir. Wenn ich mal nicht fahren kann, dann überlass ich den Bands den Bus, ich verlang keine Miete, das ist Ok für mich, eine Art Support für die Schaffhauser Bands, für die Musiker, die ich kenne und mag, und bei denen ich sehe, wie viel Leidenschaft sie in die Musik investieren. Der Grund, warum ich angefangen habe und das immer noch mache ist, weil ich so rumkomme, in Deutschland wie in der Schweiz. Als ich mit Tom Krailing und Pride unterwegs war, Anfang der Neunziger, habe ich die Schweiz kennengelernt, Orte wie Kandersteg, Frutigen, Mühle Hunziken, da wär ich sonst nie hingekommen. Und habe die Clubszene kennengelernt. Das habe ich sehr genossen, Orte wie die Löwenarena Sommeri, die legendären Spaghetti Carbonara der Eva Büechi, schräge Vögel wie den Pädu im Café Mokka etc.

 Wie hat sich die Clubszene seit den Neunzigern verändert?

In den Neunzigern hattest du jeweils noch ein bis zwei Vorbands, es gab einfach Konzerte an dem betreffenden Abend. Auf der aktuellen Deutschlandtour hiess es, ihr müsst beizeiten spielen, so halb neun, nach euch kommt die Disco. Olifr witzelte jeweils, wehe, wenn die Disco kommt, und die erwischt uns hier, wenn wir Rock’n’Roll machen, dann müssen wir aber schnell weg sein. Wobei bei den Konzerten die Disco dann gar nicht kam. Die Leute blieben da, tranken weiter, es wurde zwar immer gedroht mit der Disco, aber ich hab sie nicht erlebt.

 

Am 15. Juni spielen ab 23 Uhr die Aeronauten am Parkplatzfest der Grabenhalle in St.Gallen. Danach gibt es keine Disco, aber DJ.

Peter «Pepi» Rausch: Beruflich tätig in einem Behinderten-Transportunternehmen, seit zwanzig Jahren aus purer Leidenschaft als Tourfahrer unterwegs mit Pride, Buffalo Ballet, the Bucks, Plenty Enuff, Agent Paisley, Quince, Min King.

Das Interview ist in leicht veränderter Form am 30. Mai im «Express» erschienen.