Reise in den Süden

Ein wahres Afrika-Fest feiert heuer das Kulturfestival St.Gallen. Man hat in der Festival-Geschichte zwar schon immer ein Auge auf den Südkontinent gehabt, aber 2022 kann man von einem regelrechten Schwerpunkt sprechen.
Von  Roman Hertler
Songhoy Blues: am 20. Juli am Kulturfestival. (Bilder: pd)

Songhoy Blues aus Mali fanden 2012 in den Wirren des Bürgerkriegs zusammen durch die gemeinsame Ablehnung des Musikverbots, das die Islamisten mit ihren Scharia-Gesetzen verhängten. Religions- und Stammeszugehörigkeit kümmern die vier Jungs nicht. Ihr Herz schlägt für den Desert Blues, der zuerst Damon Albarn (Blur, Gorillaz) und dann Nick Zinner (Yeah Yeah Yeahs) auf sie aufmerksam werden liess.

Mit Marema holt das Kulturfestival die neue grosse Frauenstimme des Senegals nach St.Gallen. Mit ihrem souligen Afropop erzählt sie von sozialer Ungerechtigkeit und den starken Frauen ihrer Heimat. Ebenfalls äusserst tanzbar, dann aber auch wieder besinnlicher ist Bongeziwe Mabandla. Der südafrikanische Singer/Songwriter verbindet traditionellen Afro-Folk mit feinen elektronischen Klängen.

Marema spielt am 5. Juli.

Nur ein paar Breitengrade weiter nördlich haben sich drei Jungs aus Palästina zu 47Soul zusammengetan und bereisen nun die Welt mit ihrem eigens kreierten Genre «Shamstep», eine Fusion aus traditioneller Strassenmusik der Sham-Region (Palästina, Jordanien), elektronischen Beats und Einflüssen aus Hip Hop und Rock. Was an Grossanlässen wie Glastonbury oder Roskilde funktioniert, kann im Museumsinnenhof nicht verkehrt sein. Im Anschluss legt der St.Galler DJ Naurasta Selecta auf.

47Soul: am 13. Juli live.

Energetischen Rap liefert KT Gorique, die Unterwalliserin mit ivorischen Wurzeln. 2012 gewann sie als erste Frau überhaupt die Weltmeisterschaften im Freestyle Rap in New York. Auf ihrem neusten Album Akwaba setzt sie ihre musikalische Reise in Richtung Future Roots fort. Support erhält sie am Kulturfestival vom St.Galler Rapper Rapture Boy, der 2020 den bandXost-Wettbewerb gewann.

Auf Altbewährtes, eventuell etwas gar Gefälliges setzen die Festival-Macher:innen in der Elektronik-Sparte: Digitalism, Kosheen und Booka Shade haben ihren Zenit definitiv überschritten. Das dürfte das eingefleischte Kulturfestival-Publikum allerdings wenig kümmern. Was auch immer funktioniert und zum kollektiven Hüftewackeln lädt: die Amsterdam Klezmer Band. Auch wenn die mutigen Experimente – abgesehen vom Afrika-Schwerpunkt – dieses Jahr wieder ausbleiben, lohnt sich der eine oder andere Ausflug ins Museumsquartier definitiv.

KT Gorique: 7. Juli. Support: Rapture Boy