Rechter Sturm, linker Gegenwind

Rund 400 Personen schlossen sich der Demonstration gegen Rechts in St.Gallen an. (Bild: agi)

Es waren die Musks, Trumps und Weidels, die vergangenen Samstag in St.Gallen viele auf die Strasse brachten. Ohne die Weltlage zu verkennen, spielte an diesem Nachmittag die Zuversicht eine Schlüsselrolle.

Gut 400 Per­so­nen ver­sam­mel­ten sich ver­gan­ge­nen Sams­tag am Korn­haus­platz in St.Gal­len, um ge­gen Fa­schis­mus zu pro­tes­tie­ren. Der Ver­ein Pa­réa, die Jun­gen Grü­nen und die Ju­so ha­ben da­zu auf­ge­ru­fen. Es ist ru­hig, als wä­re die Men­ge noch et­was ein­ge­fro­ren. Ani­na Zel­ler von Pa­réa er­greift das Wort: «A wie Angst, E wie Er­schöp­fung, F wie Fas­sungs­lo­sig­keit. O wie Ohn­macht, T wie Trau­er und Z wie Zorn.» Et­was lei­se schallt es aus den Laut­spre­chern, ei­ni­ge Teil­neh­mer:in­nen schau­en auf den Bo­den.

Zel­ler fasst die letz­ten Wo­chen Welt­po­li­tik zu­sam­men: Mi­leis Re­de am WEF, Trumps ers­te Amts­hand­lun­gen, Musks Hit­ler­gruss, Ös­ter­reichs Ab­schie­be­plä­ne und Bom­ben­dro­hun­gen deut­scher Neo­na­zis. Sie be­sinnt sich auf die All­ge­mei­ne Er­klä­rung der Men­schen­rech­te und for­dert, die­se Er­run­gen­schaft zu schüt­zen. Von «A wie an­ti­fa­schis­tisch» bis «Z wie zu­ver­sicht­lich»: Sie plä­diert, dem Ohn­machts­ge­fühl zu trot­zen: «Wir ha­ben uns heu­te ver­sam­melt, um den Rech­ten ein­mal mehr den Kampf an­zu­sa­gen.» Die Men­ge ap­plau­diert.

Ski­lift er­öff­nen oder Fa­schis­mus be­kämp­fen?

Zeit­gleich und ge­naue 600 Luft­li­ni­en­me­ter ent­fernt er­öff­net der Ski­lift Grau­er Him­mel. Schon beim Spen­den­auf­ruf im De­zem­ber wur­de in der lin­ken St.Gal­ler Sze­ne kon­tro­vers dis­ku­tiert, ob man bei die­sen Nach­rich­ten wirk­lich für ei­nen Ski­lift spen­den soll­te. Spä­tes­tens bei der heu­ti­gen Gleich­zeitgkeit wä­re wohl klar ge­we­sen, wer wo Prio­ri­tä­ten setz­te. Nach­ge­fragt bei ei­ni­gen De­mons­trant:in­nen war man sich dann aber ei­nig: Wer Kunst und Men­schen­rech­te ge­gen­ein­an­der aus­spielt, setzt die Prio­ri­tä­ten eben­so falsch. «Jetzt sind wir hier, um ge­gen rechts zu de­mons­trie­ren. Und schliess­lich war es auch die rech­te Rats­hälf­te im Kan­tons­rat, die die Ski­lift­fi­nan­zie­rung ver­wei­ger­te.»

Die Pro­tes­tie­ren­den zie­hen los Rich­tung Alt­stadt. In den en­gen Gas­sen wer­den sie lau­ter, den ei­si­gen zwei Grad zum Trotz. Die Sprü­che auf den Schil­dern sind die glei­chen wie je­ne von den Pro­tes­ten in Deutsch­land, die seit Mitt­woch an­dau­ern. «Wi­der­stand ge­gen Fa­schis­mus» oder «Na­zis raus». Aus­lö­ser dort war der ge­mein­sa­me Kurs von CDU/CSU mit der AfD in der deut­schen Mi­gra­ti­ons­po­li­tik. Bei ei­ner spon­ta­nen Mahn­wa­che in Kon­stanz hat­ten sich am Tag nach der Ab­stim­mung im Bun­des­tag laut ört­li­cher Po­li­zei 550 Men­schen ver­sam­melt. In Frei­burg wa­ren es so­gar 15’000. Auch wenn die­se Zah­len nicht so ein­fach mit St.Gal­len ver­gli­chen wer­den kön­nen, scheint die­ser Schwei­zer Pro­test klein und fast nicht der Re­de Wert. 

Nar­ra­ti­ve über Wut und Zu­ver­sicht

Tai­na Frisch­knecht, Vor­stands­mit­glied bei Pa­réa, sieht meh­re­re Grün­de für die­se Dif­fe­renz: «Na­tür­lich sind die Um­stän­de in der deut­schen Po­li­tik ge­ra­de alar­mie­ren­der als hier. Und in der Schweiz ha­ben wir uns viel­leicht schon zu sehr an ei­ne bür­ger­li­che Po­li­tik ge­wöhnt.» Aus­ser­dem wer­de in der Schweiz auch eher zu­rück­hal­ten­der de­mons­triert als in an­de­ren Län­dern. Wei­ter glaubt sie, dass in den letz­ten Mo­na­ten welt­po­li­tisch so viel pas­siert sei, dass vie­le da­von auch über­for­dert sind. «Ei­gent­lich wür­de ich lie­ber für und nicht ge­gen et­was de­mons­trie­ren.» Der­zeit bren­ne es an so vie­len Or­ten, dass es schwie­rig sei, mit Hoff­nung und Zu­ver­sicht zu mo­bi­li­sie­ren. «In der Or­ga­ni­sa­ti­ons­grup­pe ha­ben wir des­halb aus­führ­lich dis­ku­tiert, wie wir die Dring­lich­keit mit po­si­ti­ven Nar­ra­ti­ven ver­mit­teln kön­nen.»

Das sei nicht im­mer ein­fach, so Frisch­knecht. «Wut treibt Men­schen auf die Stras­se. Sie hat ih­re Da­seins­be­rech­ti­gung und kann ei­ne sinn­vol­le Trei­be­rin sein. Doch mit den Ängs­ten der Men­schen zu spie­len ist ge­fähr­lich, das macht die SVP schon ge­nug. Ein po­si­ti­ves Framing ist bei­spiels­wei­se, dass wir Men­schen­rech­te schüt­zen und die De­mo­kra­tie ver­bes­sern wol­len.» Lö­sun­gen al­so, oh­ne die Rea­li­tät aus den Au­gen zu ver­lie­ren. «Mir hilft auch oft, rein­zu­zoo­men und zu se­hen, was ich kon­kret im ei­ge­nen Um­feld ver­än­dern kann.»

Der rech­te Back­lash ist da, wo­ke war ges­tern, die coo­len Jungs von heu­te wäh­len Trump, hö­ren se­xis­ti­sche Mu­sik und er­he­ben Musk zum Hel­den. Der Wind weht zwar nicht in ei­ne kom­plett neue Rich­tung, doch er weht stär­ker. Frisch­knecht sieht des­halb um­so mehr die Dring­lich­keit nach kon­kre­ten Ideen: «Wir müs­sen ein­an­der zu­hö­ren und uns fra­gen, wel­che Räu­me wir jetzt brau­chen, wie wir Teil­nah­me und Be­geg­nung för­dern kön­nen, wel­che Grup­pie­run­gen jetzt mehr Hil­fe be­nö­ti­gen.»

Die De­mons­tra­ti­on en­det nach ei­nem Zwi­schen­halt auf dem Gal­lus­platz vor dem Waag­haus. Nach den letz­ten Re­den teilt sich die Men­ge auf. Die ei­nen ge­hen in den Schwar­zen En­gel, an­de­re zum Ski­lift an die Schnee­berg­stras­se.