Raus aus dem Etablierten, rein in den Alltag
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Lionel David hat ursprünglich Schreiner gelernt. Seit einiger Zeit arbeitet er in der St.Galler Genossenschaftsbeiz Schwarzer Engel und neuerdings schnuppert er auch Künstlerluft. Andere rackern sich jahrelang ab, bis sie zu ihrer ersten Ausstellung einladen können. Lionel tickt da ein wenig anders, wartet nicht, bis die grossen Galerien endlich anklopfen, sondern stellt kurzerhand selber aus und zwar dort, wo andere essen: im Engel.
Sein Weg von der Skizze bis zu dieser ersten Ausstellung verlief ziemlich rasant. Gerade einmal ein halbes Jahr ist es her, dass Lionel zum ersten Mal Pinsel und Spraydose in der Hand hielt.
Geplant war das nicht, der 22-Jährige ist sozusagen reingerutscht: Letzten Sommer hat er den Lattich-Container des Jugendkulturraums flon mit MDF-Platten ausgekleidet, damit seine gute Freundin Iva Laki sie bemalen kann. Beim Zuschauen hat es ihn dann gleich selber gepackt, und so verbrachte er die folgenden Wochen malend im flon-Container und später zuhause, was unter anderem der dortige Parkettboden bezeugen kann.
«Das erste Bild habe ich mit Iva Laki zusammen gemalt», sagt Lionel. «Das hat mir so grossen Spass gemacht, dass ich gar nicht mehr aufhören wollte und einfach immer weiter gemacht habe.»
In diesem Groove ist er auch geblieben, als er im letzten Herbst durch den Balkan und Griechenland gereist ist. «Ich habe so ziemlich in jedem Land farbige Spuren hinterlassen. In Athen zum Beispiel habe ich zehn Tage lang nur Wände bemalt, das war grossartig.»
Brücken schlagen
«Feel The Void» heisst Lionels Ausstellung im Engel, die noch bis Ende Januar läuft. Die meisten Bilder davon sind im Dezember entstanden. Das englische «Void» stehe für Leere, Hohlraum, Leer- oder auch Fehlerstelle, erklärt Viktoria Koelle, eine Kollegin von Lionel, an der Vernissage. «Er versucht eine Brücke zu schlagen, zwischen Raum und Nicht-Raum, zwischen materieller Welt und immaterieller Welt.»
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Das ist Spaceboy. Seine Kinder heissen Symathie und Antipathie. Er liebt sie beide gleich fest. Sei wie Spaceboy.
Seine Formen seien oft geometrisch, die Farbwelten relativ kalt. Gelb- oder Orangetöne finde man kaum, dafür viel mystisches Violett und Aquamarinblau. «Und dann ist da noch das Schwarz», erklärt sie weiter. «Normalerweise hat diese Farbe eine eher beängstigende Wirkung. Aber dank Lionels flächigem Farbauftrag trägt sie stark dazu bei, dass die anderen Farben explodieren können. Die Grundstimmung seiner Bilder ist darum sehr positiv. Sie beflügeln mich, positiv in die Zukunft zu schauen.»
Lionel David – Feel The Void: bis Ende Januar, Schwarzer Engel St.Gallen
schwarzerengel.ch
Niederschwellige Räume öffnen
Mit dem Malen allein gibt sich Lionel aber nicht zufrieden, er will mehr tun für die Kunst und die Szene: niederschwellige Räume öffnen und sie mit Publikum füllen. Aktuell versucht er das im Engel mit verschiedenen Veranstaltungen und Ausstellungen zu verwirklichen. Angefangen hat die Reihe im Dezember mit Bildern und Skulpturen von Andrea Stacher, Lionels Schau ist die zweite, und ab Februar soll jeden Monat jemand anders das Lokal für seine Werke nutzen können.
Die Idee dahinter: Lokalen Kunstschaffenden eine Plattform bieten, weg kommen von den «etablierten» Kunsträumen, rein in den Alltag. «Der Engel ist optimal dafür, weil hier ständig andere Leute ein und aus gehen», sagt Lionel und lacht. «So werden sie quasi mit Kunst zwangskonsfrontiert.»