Grüner Baum der Hoffnung
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Auch wenn er mittlerweile ein ruhiges Leben führt, wird Sarath Maddumage diese Bilder, das Leid, das er miterleben mussten, nie vergessen. In seiner Kunst möchte er auf die Not verweisen, die er erleiden musste und die auch heute noch viele erleiden. Immer wieder betont der Singhalese, was für ein Glück er hatte, trotz seines knappen Überlebens und den gewaltvollen zwei Jahren, die er als Oppositioneller ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis verbrachte.
Heute lebt Sarath in Frauenfeld mit seiner Frau und zwei Kindern, die er vor fünf Jahren in die Schweiz bringen konnte. Doch immer noch verfolgen ihn die traumatischen Erlebnisse, welche er 2018 anfing, in einer Kunsttherapie zu verarbeiten. Einige seiner Bilder stellt er bis Ende August im CaBi Antirassismus-Treff in St.Gallen aus.
Mechaniker, Gewerkschafter, Folteropfer
Über zwei Jahre war ein kleines Fenster der einzige Kontakt zur Aussenwelt. «Ich durfte jeden Tag zehn Minuten aus dem Fenster schauen», erzählt Sarath. Alles was er sah, war ein grüner Baum. Bis heute assoziiert er die Farbe Grün mit Hoffnung, was in seiner Kunst auch immer wieder sichtbar wird.
Erst viele Jahre später nach seiner Flucht kann Sarath sein Trauma Schritt für Schritt mit dem Pinsel in der Hand verarbeiten. Dem gebürtigen Sri-Lanker wurden schon von Beginn seines Lebens an Hürden in den Weg gestellt. Er verlor beide Eltern schon in jungen Jahren. Den grössten Teil seiner Jugend verbrachte er im Waisenhaus.
Er galt als brillanter Schüler. Er liess sich zum Lokomotiv-Mechaniker ausbilden, trat der Bahn-Gewerkschaft bei, wurde bald deren Präsident und ab 2002 auch Präsident des Gewerkschaftsbundes. In dieser Funktion war er auch Chefredaktor der Gewerkschaftszeitung.
Der Gewerkschaftsbund äusserte sich zunehmend auch zu politischen Fragen und setzte sich für die Akzeptanz von Minderheiten ein, insbesondere von tamilischen Gruppierungen. Die Gewerkschafter erhielten dadurch von der singhalesischen Regierung den Übernamen «Singhalesische Tiger».
Aufgrund seiner Position wurde der Staat bald auf Sarath aufmerksam. Die Regierung inhaftierte 27 Gewerkschafter ohne Anklage für zwei bis acht Jahre. Sarath gehörte dazu. Zwei Jahre lang wurde er festgehalten und immer wieder gefoltert.
Flucht in die Schweiz 2009
Nach seiner Freilassung tauchte er unter. Schliesslich gelang ihm die Flucht nach Nepal. Dort verbrachte er ein halbes Jahr in einem heruntergekommenen Flüchtlingslager, von wo er 2009 weiter in die Schweiz reiste.
Sarath Maddumage: «Leben statt Überleben». Ausstellung im CaBi-Antirassismus-Treff St.Gallen, Linsebühlstrasse 47, 9000 St.Gallen
Öffnungszeiten: 17., 19., 24. und 25. Juni; 1., 8., 9. und 23. Juli; 12., 19. und 26. August.
An den Freitagen 18.30–21 Uhr, an den Samstagen 10–16 Uhr, am Sonntag 10–14 Uhr
Vernissage: Freitag, 17. Juni, 19 Uhr. Apéro und Musik von Christina Dieterle (Violine)
Finissage: Sonntag, 28. August, 19 Uhr
Veranstaltung zur aktuellen Situation in Sri Lanka mit Sarath Maddumage, Jeyakumar Thurairajah (Stadtparlament) und Sunanda Deshapriya (Journalist): Freitag, 24. Juni, 20.15 Uhr, CaBi St.Gallen
Die Sprache sei die grösste Barriere gewesen, sagt Sarath. Nach seiner Ankunft in der Schweiz besuchte er sogleich Deutschkurse. Eine Redetherapie sei zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Er schaute sich nach einer Alternative um und stiess auf die Kunsttherapie. Dort hatte er zum ersten Mal in seinem Leben einen Pinsel in der Hand.
«Ich drücke in meinen Bildern aus, was ich nicht in Worte fassen kann», erklärt Sarath. «Leben statt Überleben» heisst seine bisher dritte Ausstellung. Zu Beginn der Therapie malte Sarath idyllische Zeichnungen, Traumwelten, um der Realität zu entfliehen, aber mit der Zeit wurden seine Malereien immer politischer und gesellschaftskritischer. Heute malt Sarath Bilder über Moria und George Floyd.
Die sri-lankische Jugend protestiert wieder
Auch wenn sich die Geschichten wiederholen, ist er stets voller Hoffnung und erzählt mit glänzenden Augen von der heutigen sri-lankischen Jugend, die sich weiterhin für Gerechtigkeit einsetzt.
In Sri Lanka fehlt es häufig am Nötigsten wie Medizin, Gas zum Kochen und Gütern des täglichen Lebens. Seit etwas über zwei Monaten macht die sri-lankische Jugend an friedlichen Protesten auf ihre Not aufmerksam. 1500 Menschen wurden bisher an diesen Protesten durch die Polizei festgenommen, andere wurden entführt.
Darum hat sich Sarath entschieden, die Hälfte der Einnahmen seiner Kunstausstellung an die Familie von Chaminda Lakshan in Sri Lanka zu spenden; der Familienvater ist durch Polizeigewalt umgekommen. Die andere Hälfte geht an die Sans-Papier-Anlaufstelle in St.Gallen.