Plötzlich Nazi-Stadt?

Wer hätte gedacht, dass die Posse um die Stadtpräsidentenwahlen und die bisher unbestätigte Nachricht, in oder um Rapperswil-Jona solle nur eine Woche nach dem Toggenburger Neonazi-Aufmarsch ein gemütlicher Pnos-Balladenabend stattfinden, auch ihr Gutes haben? Das ist insofern der Fall, als in der zweitgrössten Stadt des Kantons St.Gallen seit Tagen an jeder Ecke über Politik diskutiert wird.
So interessiert und engagiert war die Bevölkerung in der Rosenstadt vielleicht noch nie. Und eines ist sonnenklar: Man ist «not amused». Zuerst wurde man schweizweit zum Thema, weil Politiker, Parteien und die Lokalboulevard-Zeitung «Obersee Nachrichten» die Stadtpräsidentenwahlen als himmeltraurigen Schwank aufführen. Dann hiess es plötzlich, Rapperswil-Jona sei eine von Neonazis heimgesuchte Metropole am Zürichsee. Skinhead-Tattoo-Studio, Nazibar und alles, was dazu gehört.
Und so hört man dieser Tage allenthalben, wie sehr es Einheimischen stinkt, wenn ihrer Stadt ein brauner Ruf angedichtet wird. Im Tattoo-Studio Barbarossa in Jona lassen sich offenbar tatsächlich gern Neonazis ihre Panzer stechen. Von diesem Tattoo-Studio haben aber bis vor zwei Tagen die wenigsten je gehört.
Aufs öffentliche Leben haben Rechtsradikale in Rapperswil-Jona keinerlei Einfluss. Im Gegenteil. Das kulturelle Geschehen ist fest in alternativer oder unpolitischer Hand. Die Nachricht, dass sich in der Boomerang-Bar in der Nähe der Kläranlage in Jona Rechtsradikale treffen, hat vor allem die Reaktion: «Was? Im Boomi? Ist mir nie aufgefallen.» ausgelöst. Ein junger Mann in einer Bar meinte aber auch, er gehe nicht mehr hin, weil ihm die Rechtsextremisten aufgefallen seien.
Umso besser, dass durch die aktuelle Diskussion der Blick geschärft wird. Heute Mittag haben sich auf Aufruf der Juso am Bahnhof Rapperswil Einheimische versammelt, um mit einer Ballon- und Flyer-Aktion klarzustellen, dass die Pnos und ihre Sympathisanten in der Rosenstadt nicht willkommen sind. Bei der ganzen Medienaufmerksamkeit, Unruhe in der Bevölkerung und angekündigten Bereitschaft der Polizei ist sowieso zweifelhaft, ob die Pnos-Sympathisanten hier aufkreuzen werden.