Pilotprojekt: Flüchtlinge betreiben Kantine
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Seit Januar dieses Jahres sind neun Geflüchtete, acht Männer und eine Frau im Alter zwischen 28 und 46 Jahren, für das Personalrestaurant des internationalen Unternehmens im Feldli verantwortlich. Von Montag bis Freitag kochen sie Mittagessen und füllen für die Nacht- und Wochenendschichten die Essensautomaten auf. Zusätzlich kümmern sie sich um das Sitzungscatering.
Die Migrantinnen und Migranten werden vor Ort für ihren Job ausgebildet. Ziel der Ausbildung ist es, sie für den 1. Arbeitsmarkt vermittelbar zu machen. Drei haben das bereits geschafft. Neben der praktischen Arbeit finden Theoriekurse in den Bereichen Kochen, Küchenarbeit und Service statt. Auch Hygiene und Systemgastronomie werden behandelt. Die Ausbildung, zu der auch ein Deutschkurs gehört, dauert ein halbes Jahr.
Kulinarisches Angebot massiv verbessert
Das Projekt ist kein Übungsbetrieb, sondern ein Unternehmen, das sich am Markt gegen die Konkurrenz behaupten muss. Das Personalrestaurant wird vom Unternehmen subventioniert. Ein Mittagsmenü kostet zwischen vier und acht Franken. Obst wird gratis abgegeben.
An Ideen fehlt es nicht. Einmal pro Woche kommt beispielsweise ein Menü aus einem der Heimatländer der Geflüchteten auf den Tisch; Tibet, Eritrea und Sri Lanka. «Das kulinarische Angebot hat sich mit der neuen Betreiberin massiv verbessert», sagt Jörg Kleinschmidt, HR-Verantwortlicher der Firma Schott. Durchschnittlich würden heute 130 Essen pro Tag ausgegeben, früher seien es 80 gewesen.
Exterritoriales Projekt
Das Projekt ist aus der Zusammenarbeit zwischen der Ausserrhoder Beratungsstelle für Flüchtlinge, der St.Galler Niederlassung des Schott-Konzerns (früher Forma-Vitrum) und der Stiftung Förderraum entstanden. Die Stiftung engagiert sich für Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf bei der Integration in die Gesellschaft und in die Arbeitswelt. In St.Gallen betreibt sie das Hotel Dom.
Aussergewöhnlich an dem Projekt bei Schott sind nicht nur die Betreiber des Personalrestaurants, sondern auch, dass es exterritorial stattfindet, denn Partnerorganisation ist nicht die St.Galler, sondern die Ausserrhoder Flüchtlingsbehörde. So kommen auch die Restaurateure aus dem Nachbarkanton.
Das Projekt fand eben zuerst in Ausserrhoden Zuspruch. Will aber nicht heissen, dass sich der Kanton St.Gallen davon ausschliesst. Das etwas andere Personalrestaurant will vor allem auch ein Türöffner für weitere Unternehmen und Migrationsämter sein.
Gastronomie gut für den Einstieg in die Arbeitswelt
Schott, ein international tätiger Technologiekonzern auf den Gebieten Spezialglas und Glaskeramik, beschäftigt weltweit 15’000 Mitarbeitende, davon 530 in St.Gallen, wo Gläser für den Medizinalbereich hergestellt werden.
«Mit dem Engagement im Personalrestaurant konnten wir unser Betätigungsfeld auf Flüchtlinge ausweiten», sagt Förderraum-Geschäftsführerin Alma Mähr. Dabei handle es sich um Menschen, die es schwer hätten, zu einer Ausbildung und zu Jobs zu kommen. «Gastronomie eignet sich bestens für den Einstieg in die Arbeitswelt und in unsere Kultur», ist Mähr überzeugt.
Heinrich van der Wingen von der Beratungsstelle für Flüchtlinge Appenzell Ausserrhoden pflichtet bei. «Für uns ist das ein Pilotprojekt, das wir ausbauen wollen. Ziel ist es, weitere Unternehmen zu finden, die den Flüchtlingen Schnuppertage, Praktika oder Arbeitseinsätze anbieten.» Das gebe den Flüchtlingen Struktur und mache sie auch konkret mit der schweizerischen Arbeitsmentalität bekannt.
Billige Arbeitskräfte?
Van der Wingen plädiert für vereinfachte Abläufe bei der Arbeitsbewilligung bei anerkannten Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Asylbewerbern. Arbeit habe das grösste integrative Potential, sagt er. Die Umwandlung des heute aufwendigen Bewilligungsverfahrens in eine Meldepflicht würde vieles vereinfachen.
Gastronomie ist eine Tieflohnbranche. Besteht nicht die Gefahr, dass diese Zielrichtung der Arbeitsintegration aus den Flüchtlingen billige Arbeitskräften macht? Förderraum-Geschäftsführerin Alma Mähr entgegnet, die Lohnstrukturen im Schott-Personalrestaurant stimmten. Auch könnten sich die Flüchtlinge gewerkschaftlich organisieren, zudem würden sie von den Projektträgern sorgfältig begleitet.