Paris – Ankara
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Nach den Anschlägen in Paris hiess es überall: «pray for Paris», «betet für Paris». Jede zweite Person, die mit mir auf Facebook befreundet ist, änderte ihr Profilbild und färbte es mit der französischen Tricolore ein. Plötzlich trauerten so viele Menschen wie noch nie. Millionen waren bei dem Trauermarsch in Paris auf den Strassen, über 40 Staats- und Regierungschefs schritten Arm in Arm über den Léon-Blum-Platz im Gedenken an die Terroropfer von Paris.
War die Betroffenheit so gross, weil uns Paris näher ist als die Städte in Syrien, dem Iran oder sonstwo? Oder sind uns die anderen, die in der Türkei, in Syrien oder in Kenia sterben, einfach egal?
Letztes Jahr sind in Kenia 148 Menschen ums Leben gekommen bei einem Anschlag der Al-Shabaab-Miliz auf eine Universität. Der Grossteil der Opfer waren Studenten. In Syrien sterben täglich Menschen an Folgen der grausamen Taten des IS – aber das interessiert niemanden. Es ist zu weit weg.
Jüngst gab es mehrere Anschläge in der Türkei. Am 13. März sind in Ankara 37 Menschen von einer Autobombe in den Tod gerissen worden, 120 wurden verletzt. Nach diesen Anschlägen sah ich keine einzige Person, die auf Facebook trauerte oder etwas darüber gepostet hat.
Gibt es einen Unterschied zwischen den Opfern dieser Terrorattacken? Sind wir wirklich so gehirngewaschen, dass wir uns nur für das interessieren, dem die Medien Aufmerksamkeit geben?
Ich will da nicht einfach mitmachen und wie ein Roboter funktionieren. Deshalb habe ich damals nach den Anschlägen in Paris gar nichts für die Öffentlichkeit gepostet – weil ich es auch davor schon nicht gemacht habe. Das heisst nicht, dass ich in Gedanken nicht bei den Opfern bin – ob in Paris, der Türkei, in Kenia oder anderswo.
Yonas Gebrehiwet, 1996, ist vor knapp fünf Jahren aus Eritrea in die Schweiz gekommen. Er wohnt in Rheineck und beendet im Sommer seine Ausbildung zum Textiltechnologen.