, 6. Mai 2024
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«Ost» gegen VPOD: Freispruch für die Gewerkschaft

Eine Umfrage der Gewerkschaft VPOD unter den Dozierenden im Departement Soziale Arbeit der Fachhochschule Ost war kein Verstoss gegen das Datenschutzgesetz. Dies der Entscheid des Kreisgerichts St.Gallen.

Bild: upz

Weil die Unzufriedenheit mit der ehemaligen, inzwischen nicht mehr an der Schule tätigen Departementsleiterin Soziale Arbeit der Fachhochschule Ost in St.Gallen immer grösser wurde, suchten Dozierende Unterstützung bei der Gewerkschaft VPOD, dem Verband des Personals öffentlicher Dienste. Die Lehrkräfte beklagten sich über intransparente Entscheide und ein repressives Klima. Dieses führte schliesslich zu elf Kündigungen.

In Rücksprache mit der VPOD-Zentrale lancierte die St.Galler Gewerkschaftssekretärin, SP-Stadtparlamentarierin und neugewählte Kantonsrätin Alexandra Akeret, eine Umfrage bei den Betroffenen. Mit den Resultaten wollte sie den Verantwortlichen der «Ost» aufzeigen, dass im kritisierten Departement Verbesserungen nötig sind.

Dozentin wollte Umfragedetails nicht sehen

61 Personen beteiligten sich an der Umfrage. Die Resultate wollte Alexandra Akeret danach der Departementsleiterin im Detail zeigen. Doch beim Treffen, das sehr höflich ablief, wollte die kritisierte Dozentin diese Details ausdrücklich nicht sehen. Doch dann traf einen Tag später bei der Gewerkschaft ein Brief ein, in dem nach zahlreichen Details der Umfrageresultate gefragt wurde. Dieser Brief kam von einem grossen Anwaltsbüro mit Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofstrasse.

Weil die Departementsleiterin zuvor in der persönlichen Besprechung ausdrücklich auf die Umfragedetails verzichtet hatte, beantwortete Alexandra Akeret die Fragen des Advokaturbüros nur noch summarisch. Dies wiederum veranlasste die Zürcher Anwälte im Namen der Departementsleiterin, respektive der Fachhochschule, sowohl zu einer zivilrechtlichen wie auch zu einer strafrechtlichen Klage. Die Begründung: die auf die Haltung der damaligen Departementsleitung gezielten Fragen seien ein Verstoss gegen das Datenschutzgesetz und die Gewerkschaft habe die Umfrage ohne Einwilligung lanciert.

Von der Staatsanwaltschaft gebüsst

Nach der Einvernahme der Gewerkschaftssekretärin durch das Untersuchungsrichteramt verurteile die Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallens Alexandra Akeret wegen Verletzung des Datenschutzgesetzes zu einer Busse von 450 Franken. Eine hohe Entschädigung von 10’000 Franken wollte die Departementsleiterin zuerst in einem Zivilprozess einklagen. Die Frist zur Einreichung dieser Klage liess sie jedoch ungenutzt verstreichen.

Alexandra Akeret legte ihrerseits gegen die verhängte Busse Berufung ein. Vor dem Einzelrichter des Kreisgerichts St.Gallen erschienen am 3. Mai nur die Gewerkschaftssekretärin und ihr Anwalt. Abklärungen des Gerichts während der Verhandlung ergaben, dass der Anwalt der Departementsleiterin dem Gericht mitteilen liess, er werde nicht erscheinen – der Richter wusste davon allerdings bei Prozessbeginn nichts.

Abschreckungspolitik der Fachhochschule

Der Verteidiger von Alexandra Akeret kritisierte nicht nur diese «arrogante Haltung» der nicht erschienenen Gegenpartei. Auch das Rektorat der «Ost» habe in diesem Fall einen unzeitgemässen Führungsstil gezeigt. Dass die Fachhochschule gleich mit rechtlichen Schritten gedroht habe, sei eine versuchte Abschreckungspolitik. Dabei hätten die Gewerkschaften laut Bundesgericht das Recht, sich für die Mitarbeitenden einzusetzen – in Schulen ebenso wie in Industriebetrieben.

Im Prozess zeigte sich, dass in den 30 Jahren seit Bestehen des Datenschutzgesetzes nur eine einzige Verurteilung wegen eines Verstosses öffentlich bekannt wurde. Dies auch, weil ein Verstoss «vorsätzlich» sein muss, wie es im Gesetz heisst. Die VPOD-Sekretärin habe aber sicher nicht vorsätzlich gehandelt. Sie habe bloss die in die Enge getriebenen Lehrkräfte unterstützt, so ihr Anwalt.

Kreisgericht spricht Akeret frei

Der Einzelrichter des Kreisgerichts sprach Alexandra Akeret frei. Dass sie die Fragen des Zürcher Anwaltsbüros nicht beantwortet habe, sei zwar eine Totalverweigerung, aber keine strafbare Handlung. Und dass die Staatsanwaltschaft eine Busse wegen unvollständiger Antworten ausgesprochen habe, sei auch nicht korrekt. «Unvollständig» im juristischen Sinn wären Antworten nur, wenn damit jemand absichtlich getäuscht würde. Hier sei von Täuschung keine Rede. Schliesslich habe die Departementsleiterin ja klar gesagt, sie wollte die Details der Umfrage nicht sehen. Damit habe sie den späteren Fragenkatalog des Zürcher Anwaltsbüros faktisch zurückgezogen.

Mit dem Freispruch übernimmt der Staat die Verfahrenskosten und die Entschädigung des Verteidigers von insgesamt gegen 10’000 Franken. Das Urteil ist noch nicht definitiv, denn sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die frühere Departementsleiterin könnten es weiterziehen.

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