Groove mit ein paar abrupten Schlüssen

Am Freitag standen die Electropopper von Zoot Woman auf der Kulturfestival-Bühne im Museumsinnenhof. Zuvor animierten die St.Galler von Missue zu Wachträumereien.
Von  Corinne Riedener

Die Sonne ist halbwegs untergegangen, als Missue auf die Bühne kommen. Es ist, nach ihrem Auftritt im Sittertobel, ihr zweites Heimspiel innert zwei Wochen. Was nur fair ist, schliesslich veröffentlichten die Demotape-Clinic-Gewinner Atilla Bayraktar und Philipp Gnägi bereits diverse EPs und im letzten Oktober mit 8K ihren zweiten Longplayer. Und sie arbeiten auch schon an einen dritten, Persistent. Dabei kann man ihnen sogar zuhören. Hier.

Sound, der Auslauf braucht

Auf 8K hat das Electro-Duo die 14 höchsten Berge der Welt vertont. Es geht über schneebedeckte Plateaus, durch Eishöhlen und gefährliche Steilwände dem Himmel entgegen. Auch sonst: Es knackt, es klickt und chroosät bei Missue. Dazu kommen zügige Beats und immer wieder hymnische Synthie-Parts – Sound, der Auslauf braucht also, der das Weite sucht. Ob das in den heimeligen Museumsinnenhof passt? Definitiv. Und immer besser je mehr es eindunkelt.

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Missue bei der Arbeit, Bilder: Kasimir Höhener

Missue füllen den Innenhof mit ihrem pulsierenden Sound. Ihn zu beschreiben ist nicht einfach, mich erinnert er an Pantha du Prince und an shpärischen Downtempo-Drum’n’Bass. Dazu kann man prima tanzen. Man kann aber auch nur da sitzen, mitten in den Lichtern und Leuten, und in luziden Träumen versinken, über imposante Landschaften fliegen und in verborgene Welten abtauchen. Wären da nicht die Wechsel und Enden, die manchmal etwas gar unvermittelt kommen…

Tanzbarer Electropop

Zoot Woman beenden ihre Tracks teilweise ähnlich abrupt. Dabei würde sich der eingängige 80er-Jahre-Elektropop des britischen Trios bestens zum Durchtanzen eignen. (Und wirklich etwas gesagt haben sie auch nicht zwischen den einzelnen Songs.) Stuart Price, das viel gelobte «Mastermind», ist nicht nach St.Gallen gekommen. Er mag keine Live-Auftritte, Johnny Blake und sein Bruder Adam stehen schon seit Jahren alleine auf der Bühne. Und sie haben auch ohne Price einen ganz ordentlichen Groove.

Real Real Love zum Beispiel ist sehr tanzbar und erinnert an eine etwas gemütlichere Version von Tainted Love. Nach Schulterpolstern, Weichzeichner und Dauerwelle – so ungefähr klingen Zoot Woman. Nach Duran Duran mit hie und da einem Hauch David Bowie. Hauptsache 80er und Sunglasses At Night. Wichtigste Komponenten sind aber die Synths, die technoiden Beats und Johnnys butterweiche Stimme, die nächstes Mal gerne etwas besser abgemischt sein darf.

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Johnny (l.) und Adam Blake

Den Sommer mal machen lassen

Nach ihrem Debut mit Living In A Magazine 2001 galten Zoot Woman als Vorreiter des Electroclash. Dann kam lange nichts. Als Jahre später doch wieder was kam, waren nicht alle gleichermasen begeistert, und spätestens seit letztem Sommer, als sie mit Star Climbing ihr viertes Album veröffentlichten, klafften die Meinungen endgültig auseinander. Die Spex etwa sprach von neoliberalem Beigeschmack und weichen Belanglosigkeiten.

Passt irgendwie ja auch zu den 80ern… Man könnte auch weniger vergeistigt argumentieren, tanzen und den Sommer mal machen lassen. Nur so zwischendurch.

 

Zum Schluss nochmal die Schlüsse: Das Live-Set von Missue an der Afterparty im Øya ging definitiv sehr abrupt zu Ende. Eine halbe Stunde zu früh, leider. Eigentlich wäre bis drei Uhr Verlängerung gewesen, aber offenbar gibt es auch im Goliath-Quartier immer mehr lärmgestörte Leute.

 

Bilder: Kasimir Höhener