, 2. Dezember 2022
1 Kommentar

Olma: Millionen gegen die Angst vor der Bauruine

Das kantonale und das städtische Parlament haben ihre Olma-Darlehen von je 8,4 Millionen abgeschrieben. Die Messe darf das Geld als Eigenkapital verbuchen, muss es weder zurückzahlen, noch verzinsen. Trotz vieler offener Fragen traute sich kaum jemand Nein zu sagen.

Gigantische Baustelle: 160 mal 90 Meter misst die zukünftige Olma-Halle 1. (Bild: pd)

Es war vorauszusehen: Im Vorfeld eine grosse Klappe – in der Abstimmung aber dann doch kleinlaut kuschen. Es war die Angst vor einer -zigmillionenteuren Bauruine mitten in der Stadt St.Gallen, die in beiden Parlamenten zu den Geschenken an die Olma führte.

Dabei gab es im Vorfeld einige Kritik und viele Fragen: Zur Strategie und zu zukunftsfähigen Messemodellen. Zum Sanierungsplan. Zur Rentabilität der riesigen künftigen Halle 1. Zum Plan, die Olma-Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Zum vorgesehenen Preis der Aktien von 1100 Franken.

Konkrete Antworten las man kaum. Doch Olma-Direktorin Christine Bolt ist eine clevere Vermarkterin, sie verspricht uns eine blühende Messezukunft dank der neuen Halle. Die Marketingfrau hat einiges drauf – das muss man ihr lassen. Liest man aber die Kommentare zu den Medienberichten, kommt man dann doch ins Grübeln. Da wird gefragt ob die Chefin nicht mit dem Rücken zur Wand stehe, nachdem sowohl die Messeleiterin Manuela Fürer als auch der langjährige Finanzchef Adi Stuber den Betrieb verliessen. Auf «Inside Paradeplatz» wird offen der Abgang von Christine Bolt und Genossenschaftspräsident und ex-Stadtammann Thomas Scheitlin gefordert. Viele schieben das Finanzdebakel auch Nicolo Paganini zu, dem Vorgänger von Christine Bolt. Er habe sich nach der Wahl in den Nationalrat schleunigst von den Olma-Problemen davongeschlichen.

Ob die Rettung gelingt werden wir erst nächstes Jahr wissen. Zusätzlich zu den nun «geschenkten» Darlehen sucht die Messe weitere 20 Millionen neues Geld. Davon sind erst 6 Millionen zugesichert. Die Grosszügigkeit aus Industrie und Gewerbe hält sich bisher in Grenzen. Nachbargemeinden und -kantone haben in der ersten Runde abgesagt. Die umgewandelten Darlehen hätten nun Signalwirkung, hofft Christine Bolt auf mehr Grosszügigkeit.

Einige Kantons- und Stadtparlamentarier:innen haben sich offensichtlich schon auf eine Pleite eingestellt: Es komme ja nicht drauf an, ob man die Darlehen nun umwandle oder nicht, hiess es in den Räten. Das Geld sei eh schon ausgegeben. Auf die Rückzahlung zu verzichten oder das Geld in einem Konkurs zu verlieren, komme letztlich aufs Gleiche heraus.

Immerhin: Niemand wollte riskieren, dass die 160 Meter lange und 90 Meter breite Halle zu einer Bauruine wird, auch wenn sie rund 10 Millionen mehr kosten wird, als ursprünglich angenommen. Inzwischen ist von 174 Millionen Franken Gesamtkosten die Rede. Rund 40 Millionen davon wurden für den Deckel der Autobahn verbaut. Und daran haben der Kanton bereits 12 und die Stadt 18 Millionen Franken bezahlt. – Für die St.Galler Stadtbewohner:innen wäre eine Ruine wohl der grösste Ärger. Das Ungetüm sprengt – das zeigt sich gut im Blick von den Hängen herab – alle Dimensionen bisheriger Bauvolumen.

Doch was, wenn all die Finanzierungspläne scheitern? Auf «Inside Paradeplatz» findet sich bereits ein Rezept von Unternehmens- und Steuerberater René Bitterli: Dann brauche es nach einem Konkurs die Neugründung von zwei Gesellschaften, einer Messegesellschaft und getrennt davon eine Immobilienfirma. Danach werde sich weisen, welche Teile des Betriebs kostendeckend arbeiten.

Noch aber hält die Politik der Messe die Treue. Die Darlehen wurden umgewandelt. Den einzigen halbwegs mutigen Entscheid hat das Kantonsparlament gefällt und Regierungsrat Marc Mächler damit beauftragt, den Olma-Verwaltungsrat davon zu überzeugen, den Nennwert der künftigen Aktien nicht auf 1100 sondern nur auf 500 Franken festzulegen. Nur so habe das Papier eine Chance, zu einer «Volksaktie» zu werden. Und das Stadtparlament hat – mit nur einer Stimme Mehrheit – auch noch einen Strich gezogen: Bis Ende 2030 gibts von der Stadt keine weiteren Gelder mehr.

1 Kommentar zu Olma: Millionen gegen die Angst vor der Bauruine

  • Brummbär sagt:

    Ja die Welt hat sich stark verändert.Das Messewesen hatte sich aber schon vor Corona verändert! Siehe Messe Basel, Zürich, Genf usw.
    Im Nachhinein wird der JA-Entscheid auch der St.Galler Stimmbürger als Fehler in die Geschichte eingehen.
    Haupt-Treiber war der damalige OLMA -Direktor Paganini welcher sich aber kurz darnach absetzte und ein einfaches, gut-bezahltes Jöbli mit NULL bis wenig Verantwortung als Nationalrat übernahm.

    Vorschlag:
    OLMA = Stelldichein der sehr vermögenden Immo- und Baulöwen ua.
    Dieser Garde ist die OLMA heilig.
    Diese könnten doch alle OLMA-Aktien zu Fr. 1’100.-)übernehmen und in ihren Büchern abschreiben, oder der OLMA jetzt einen hohen
    2-stelligen Millionenbetrag schenken.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Impressum

Herausgeber:

 

Verein Saiten
Gutenbergstrasse 2
Postfach 2246
9001 St. Gallen

 

Telefon: +41 71 222 30 66

 

Hindernisfreier Zugang via St.Leonhardstrasse 40

 

Der Verein Saiten ist Mitglied des Verbands Medien mit Zukunft.

Redaktion

Corinne Riedener, David Gadze, Roman Hertler

redaktion@saiten.ch

 

Verlag/Anzeigen

Marc Jenny, Philip Stuber

verlag@saiten.ch

 

Anzeigentarife

siehe Mediadaten

 

Sekretariat

Isabella Zotti

sekretariat@saiten.ch

 

Kalender

Michael Felix Grieder

kalender@saiten.ch

 

Gestaltung

Data-Orbit (Nayla Baumgartner, Fabio Menet, Louis Vaucher),
Michel Egger
grafik@saiten.ch

 

Saiten unterstützen

 

Saiten steht seit 30 Jahren für kritischen und unabhängigen Journalismus – unterstütze uns dabei.

 

Spenden auf das Postkonto IBAN:

CH87 0900 0000 9016 8856 1

 

Herzlichen Dank!