, 9. April 2015
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Ohne Schiedsrichter und Light-Bier: Die Alternative Liga rollt wieder

Die Alternative Fussball Liga St.Gallen geht in die dritte Saison. Mittlerweile ist sie eine feste Grösse – und bald international tätig.

Das Tal der Demut macht seinem Namen alle Ehre: Die dortige Fussballwiese neben dem GBS-Schulhaus ist noch tief vom langen Winter. An den schattigsten Ecken im eh schon düsteren Tal konnte man Anfang Woche frischen April-Schnee finden. Trotzdem dürfte hier, in der Keimzelle der Alternativen Fussball Liga St.Gallen (AFLSG), dieser Tage der Ball rollen: Die Liga startet in ihre dritte Saison, auf verschiedensten Plätzen in und um St.Gallen.

Was im Frühling 2013 als rasch umgesetzte Bieridee mit 16 Teams startete, hat sich mittlerweile in St.Galler Hobbykicker-Kreisen etabliert. 21 Teams kämpfen in drei Gruppen à 7 Teams um den inoffiziellen Meistertitel: Der Gruppensieg in der Brodworscht-League. So heisst die oberste Spielklasse. Zwischen den drei Gruppen wird munter gewechselt: Am Ende der Saison steigen jeweils die ersten zwei Teams auf, die letzten zwei ab.

Hinter der Brodworscht-League folgt die St.Guellenleague, die dritte Stärkeklasse schliesslich heisst UI-Cup. Mit gutem Grund erinnert sich heute kaum noch jemand an diesen Wettbewerb des europäischen Klubfussballs, der 2009 abgeschafft wurde. «Wir vermissen den UI-Cup und wollen ihm so die Ehre erweisen», sagt ein ranghoher AFLSG-Funktionär zur nostalgischen Namensgebung.

Keine Schiris funktioniert (fast) immer

Dieses Augenzwinkern passt zur Liga: Ihr oberstes Ziel ist und bleibt der Spass am Fussball, ohne die manchmal einengenden Verpflichtungen im Klubfussball. Wobei: Gewinnnen wollen auch bei den Alternativen Tschuttern alle, selbst wenns in der Liga um die goldene Ananas geht. Der Einsatz ist immer Vollgas, nichts weniger. Umkämpfte Spiele sind eher die Regel als die Ausnahme.

Das funktioniert seit drei Jahren erstaunlich gut ohne Schiedsrichter. «Es gab einige wenige, hitzige Spiele, bei denen im Verlauf des Matches ad-hoc ein Schiri aus dem Publikum gestellt werden musste», sagt der Liga-Funktionär. Trotzdem wolle man am Prinzip der Selbstregulierung festhalten. Das Geschehen auf dem Platz wird also mittels «Gentlemen-Offside» und gegenseitiger Fairness geregelt. Man gibt es sich hart, aber korrekt.

Seit Jahren spielen etablierte Alternativ-Ligen wie etwa jene in Zürich, Basel oder Bern mit Schiris und Linienrichtern. «Für uns ist das im Moment nichts. Auch, weil damit der administrative Aufwand für alle Teams zunehmen würde», sagt der Funktionär. Das Prinzip der AFLSG sei eben auch, niederschwellig zu sein. So gibt es sogar einige Teams, in denen vereinzelt Frauen mitspielen. Wobei sich die Liga wünscht, dass es noch mehr wären.

Revolutionäres Regelwerk der Anarchisten

Die Mutter der Schweizer Alternativ-Fussballligen ist jene in Zürich, die 1976 von der damals sehr aktiven ausserparlamentarischen Opposition gegründet wurde. Anarchisten, Armeegegner und Mitglieder der Revolutionären Aufbauorganisation Zürich (RAZ) waren unter anderem dabei.

Obwohl die AFLSG heute grundsätzlich unpolitisch ist, gibt es interessante Parallelen zu den linksradikalen Zürchern der 70er-Jahre: Diese wollten «die linken Ideale vom Politpodium auf den Fussballplatz» transportieren, wie es in einem lesenswerten Artikel zur Liga-Geschichte heisst. Also erliess der Ligaverband FSFV (Fortschrittlicher Schweizerischer Fussball Verband) ein eigenes Regelwerk. In diesem wurden nicht nur die Schiedsrichter, sondern gleich auch Ranglisten, einheitliche Trikots und sogar Fussballschuhe abgeschafft.

Wie ernst es die Linken mit gesellschaftlicher Veränderung in allen Bereichen meinten, zeigt auch das Streikrecht, das in der FSFV-Liga galt: Wenn ein Spieler das Gefühlt hatte, es werde unsportlich gespielt oder die Fairness werde einem Sieg um jeden Preis geopfert, konnte er eine Unterbrechung des Spiels und Diskussion verlangen.

St.Galler Delegation reist nach Berlin

Davon ist die AFLSG weit entfernt. Man gibt sich pragmatisch und versucht, eine gute und faire Stimmung auch durch Aktivitäten neben dem Platz zu fördern: So soll am 9. Mai in der Tankstell ein Liga-Fest (natürlich inklusive Töggelen) steigen. Und dass das Heimteam die Gäste nach einem Spiel mit mindestens Bier und optional Wurst bewirtet, hat sich mittlerweile eingebürgert.

Im Juli wird die AFLSG zudem international tätig: Sie wird eine Delegation an die 10. Alternative Europameisterschaft nach Berlin entsenden. Dort wird man sich mit Teams aus ganz Europa – darunter auch die Berner, Basler und Zürcher Kollegen – messen.

alternativeflsg.ch

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