Offene Ohren, offene Zukunft

Mitte Februar bringt das Nordklang-Festival zum 16. Mal skandinavisches Musikschaffen nach St.Gallen. 2024 fällt der Anlass etwas kleiner aus als bisher, bleibt aber hochkarätig besetzt.
Von  Philip Bürkler
Kira Skov tritt in der Kellerbühne auf. (Bild: pd)

Mit Acts wie dem finnischen Frauen-Duo Maustetytöt, der dänischen Künstlerin Kira Skov oder dem schwedischen Weltenbummler Christoffer Wadensten alias Meadows gibt es am Nordklang wieder spannende Musik aus dem hohen Norden zu entdecken. Die meisten Künstler:innen stehen zum ersten Mal überhaupt auf einer Schweizer Bühne. Den Macher:innen ist es erneut gelungen, neue und in unseren Breitengraden noch eher unbekannte Musiker:innen zu verpflichten.

Neben dem sorgfältig kuratierten Programm fällt jedoch vor allem die Verkleinerung des gesamten Anlasses von zwei auf nur noch einen Programmtag ins Auge. Ausserdem werden nur noch vier statt wie in der Vergangenheit sechs Konzertbühnen bespielt. Das Festival fokussiert auf die kleineren Bühnen im Klosterviertel: Kellerbühne, Hofkeller und Pfalzkeller. Ein weiteres Konzert und wie gewohnt eine Afterparty gibt es im Øya. Palace und Grabenhalle sind heuer nicht dabei.

Deutlich weniger Publikum als erwartet

Dieses Jahr verzichtet das OK auf den Eröffnungsabend am Freitag, an dem bei früheren Festivalausgaben Musiker:innen aus dem Norden ungewöhnliche und einmalige Kollaborationen mit Schweizer Künstler:innen eingingen. Freilich nicht ganz freiwillig. Für die Redimensionierung des Festivals gibt es mehrere Gründe.

Das im vergangenen Jahr durchgeführte mehrtägige Kollaborationsprojekt, die sogenannten Nordklang-Sessions, seien sehr aufwändig und kostspielig gewesen, erklärt der Programmverantwortliche Sandro Büchler. «Nachdem wir 2021 und 2022 aufgrund der Pandemie pausieren mussten, wollten wir 2023 gross auffahren und mit den umfangreichen Nordklang-Sessions ein Ausrufezeichen setzen. Dabei haben wir uns etwas überschätzt.»

Nordklang-Festival: 17. Februar, Pfalzkeller, Hofkeller, Kellerbühne und Øya St.Gallen

Programm und Tickets: nordklang.ch

Gleichzeitig sei nach der Pandemie auch ein Grossteil des Publikums nicht zurückgekehrt. Ein Problem, mit dem die gesamte Kulturbranche seit 2023 konfrontiert ist. «Im vergangenen Jahr hatten wir ein Viertel weniger Besucher:innen», so Büchler. Allerdings seien die Zahlen bereits vor der Pandemie schleichend zurückgegangen. Büchlers Vermutung: «Das Publikum ist kurzentschlossener geworden. Manch ein Gast entscheidet sich erst wenige Stunden vor einem Anlass für oder gegen einen Besuch.» Sollte sich dieser Trend 2024 fortsetzen, könnte es für das seit 2006 bestehende Festival eng werden. «Wir machen uns deshalb bereits jetzt Gedanken zu neuen Formaten für künftige Festivalausgaben.»

Zu Stubenhocker:innen mutierte Teile des Publikums sind aber nur einer der Gründe für die schwieriger gewordenen finanziellen Rahmenbedingungen. Generell gestiegen sind seit geraumer Zeit auch die Produktionskosten – für ausgefeilte Lichtshows etwa oder haufenweise technisches Spezialequipment auf der Bühne, sagt Büchler. «Deshalb haben wir uns entschieden, die beiden Bühnen von Palace und Grabenhalle für einmal zu pausieren.»

Zusätzlich belasteten das Budget auch die moderat erhöhten Spesen für die nordischen Gäste. «Kunst und Kultur haben einen Wert, diesen wollen wir fair vergüten», erklärt Büchler. Alle auftretenden Künstler:innen erhalten von der Festivalleitung dieselben Konditionen. Auch der Bekanntheitsgrad einer Band spiele weder bei den Spesen noch bei den Gagen eine Rolle, alle erhielten dieselbe Wertschätzung. «Egal ob Newcomer oder etablierte Musikgrösse – wir behandeln alle gleich.»

Lustig bis melancholisch: Programm der Gegensätze

Obwohl dieses Jahr insgesamt weniger Konzerte stattfinden – das Programm wird von 15 auf acht Acts reduziert – können sich Besucher:innen auf ein hochkarätiges und qualitativ anspruchsvolles Line-up freuen. Ein Highlight ist sicherlich Helena Heinesen Rebensdorff, die unter dem Namen Brimheim mit ihrer Band auftritt und klassischen Rock spielt. «Helena verspricht Gänsehaut, sie singt offen über Depression und Selbstzweifel, aber ohne melancholische Weinerlichkeit», sagt Büchler, der die färöisch-dänische Künstlerin bereits zweimal live gesehen hat. In St.Gallen gibt sie ihre Schweiz-Premiere.

Nicht nur musikalisch, auch stimmungsmässig völlig auf der anderen Seite des Spektrums steht das finnische Indie-Pop-Duo Maustetytöt, bestehend aus den beiden Schwestern Anna und Kaisa Karjalainen. «Mit dem Norden verbindet man oft Melancholie, aber dieses Duo ist das pure Gegenteil», sagt Büchler begeistert. Maustetytöt treten sowohl im Pfalzkeller als auch im Øya auf.

Buchstäblich für eine Überraschung dürfte die Dänin Kira Skov sorgen. «Die ‹Grande Dame› der dänischen Musikszene war schon länger auf unserer Wunschliste. Als sie uns von ihrem Management vorgeschlagen wurde, mussten wir nur noch Ja sagen», sagt Büchler. Kira Skov ist in unterschiedlichsten Genres zuhause. Selbst er weiss nicht, welche Stilrichtung Skov in St.Gallen spielen wird. «Lassen wir uns also überraschen!»

Trotz der Herausforderungen und Veränderungen verspricht das Nordklang-Festival 2024 für das Publikum eine vielfältige musikalische Reise durch die skandinavische Musikkultur zu werden – während sich die Macher:innen mit der neuesten Ausgabe gleichzeitig auf eine etwas offenere Zukunft und Ausrichtung der Veranstaltung vorbereiten.