NZZ und AZ: Gegensätzliche Reaktionen
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«Das neue Unternehmen wird mit den Regional-Zeitungen und -Onlineportalen sowie Radio- und TV-Stationen beider Unternehmen und den Zeitschriften der AZ Medien rund 2 Millionen Personen in der Deutschschweiz erreichen. Mit knapp 500 Mio. Franken Umsatz und 2000 Mitarbeitenden wird es zu den führenden Medienunternehmen der Schweiz zählen.» So heisst es in der heute publizierten Mitteilung der NZZ-Medien.
Das neue Unternehmen umfasst rund 80 Zeitungs- und Medientitel, darunter alle Ostschweizer Titel der bisherigen NZZ-Regionalmedien. Auf einen Blick:
Zum neuen Unternehmen gehören alle Einheiten der AZ Medien mit Ausnahme von Watson. Die NZZ-Mediengruppe integriert ihr gesamtes Regionalmediengeschäft in das Joint Venture. Auch die Druckereien beider Unternehmen werden Teil davon. Sämtliche Mitarbeitenden und Führungskräfte dieser Bereiche der beiden Unternehmen gehen in das neue Unternehmen über.
Nicht Bestandteil sind die Geschäftsbereiche NZZ Medien und Business Medien der NZZ-Mediengruppe sowie die konzessionierten Radio- und TV-Sender beider Unternehmen. An der neuen Aktiengesellschaft sind die beiden Medienunternehmen zu gleichen Teilen beteiligt. Der Deal steht unter Vorbehalt der Zustimmung durch die Wettbewerbskommission.
Zukunft ohne Frauen?
«Regionalmedien leisten in der föderalistischen, direktdemokratischen Schweiz einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung. Gemeinsam gründen wir ein breit aufgestelltes, wettbewerbsfähiges Medienunternehmen, das die nötige Finanzkraft hat, um in die Zukunft zu investieren», wird Peter Wanner, Verleger der AZ Medien, in der Medienmitteilung zitiert.
Diese Zukunft traut man sich erstaunlicherweise mit einer rein männlichen Führungscrew zu: Der Verwaltungsrat soll von Peter Wanner präsidiert werden. Jörg Schnyder, derzeit Finanzchef und Vorsitzender der Unternehmensleitung a. i. der NZZ-Mediengruppe, wird Vizepräsident. Pascal Hollenstein, aktuell Leiter Publizistik der NZZ-Regionalmedien, wird publizistischer Leiter sämtlicher Zeitungstitel. Axel Wüstmann, aktuell CEO der AZ Medien, wird CEO des Joint Ventures, und Jürg Weber, derzeit Leiter der NZZ-Regionalmedien, wird stellvertretender CEO.
Ein Mantel aus dem Aargau?
Das Onlineportal zentralplus hat den Zusammenschluss kritisch kommentiert unter dem Titel «Die Chefs sitzen nun im Aargau». Fazit: «In Luzern sollte man sich warm anziehen, denn die Besetzung der wichtigsten Chefposten zeigt deutlich: Der Wind bei der Luzerner und der Zuger Zeitung bläst zukünftig aus dem Norden. Und der heisst umgangssprachlich Bise.»
Das unabhängige Hintergrund-Onlinemagazin Infosperber hatte bereits am 2. Dezember ein «Horrorszenario» für die Schweizer Zeitungslandschaft entworfen: Mittelfristig könnten nur noch drei grosse Konzerne das Nachrichtengeschäft dominieren: Ringier, NZZ-AZ und Blochers BaZ mit Somedia (Südostschweiz), Bieler Tagblatt und den bereits gekauften Gratisanzeigern. Letzte Bastionen: die Schaffhauser Nachrichten und die WoZ…
St.Galler Regierung ist besorgt
Für die Ostschweizer Tageszeitungen dürfte vor allem ins Gewicht fallen, dass der gemeinsame Mantel, den man bisher mit der Luzerner Zeitung produziert, künftig von der AZ geprägt werden dürfte. Ob damit Ostschweizer Positionen national (und für die regionale Leserschaft) noch im selben Mass wie heute zu Wort kommen, ist fraglich. So sieht es zumindest die St.Galler Regierung. In einem rasch veröffentlichen Communique kündigt sie an, zu «prüfen, ob es Massnahmen bedarf, um den regionalen Service Public sicherzustellen».
Eine starke und gut funktionierende Medienlandschaft sei für die Ostschweiz von zentraler Bedeutung, schreibt die Regierung. Aus ökonomischer Sicht sei der Entscheid verständlich; allerdings lasse die weitere Konzentration der Medienlandschaft befürchten, «dass die regionalen Bedürfnisse durch die Zentralisierung nicht mehr genügend abgedeckt werden». Dies betreffe vor allem den Mantelteil «als Sprachrohr der Ostschweiz in der übrigen Schweiz. Bei Themen und Entscheidungen auf Bundesebene ist nicht nur die korrekte Information gefragt, sondern auch die Diskussion der Auswirkungen aus Ostschweizer und St.Galler Perspektive.»
Der Entscheid passe zu einer Gesamtentwicklung, welche die Regierung bedaure. «Es ist eine Entwicklung der Konzentration und zwar weg von der Ostschweiz und St.Gallen.» Die Regierung werde prüfen, «welche Massnahmen sie allenfalls im Bereich der kantonalen Medien- und Kommunikationspolitik treffen soll, um den regionalen Service Public im Medienbereich sicherzustellen».
Chefredaktor Schmid ist optimistisch
Die Spekulation, wonach der Mantel künftig von «Aarau geprägt» sein werde, «siedelt sich im Bereich der Fake News an», hält der Chefredaktor des «Tagblatts» und seiner Lokalausgaben, Stefan Schmid dagegen. «Mir wäre diesbezüglich nichts bekannt. Fakt ist: Wir sind künftig zu dritt – Tagblatt, LZ, AZ – die sich um einen intelligenten, relevanten und unterhaltenden Mantel kümmern werden. Wer wo wie was macht, das ist nicht einmal ansatzweise entschieden. Selbstverständlich wird das Tagblatt weiterhin mit einer Ostschweizer Brille auf nationale Ereignisse blicken. Das ist heute schon so und das wird auch in Zukunft nicht anders sein.»
Konkret: Tagblatt und Luzerner Zeitung hätten eine neunköpfige Bundeshausredaktion – nicht anders als die Aargauer. Die AZ (wo Schmid zuvor selber die Inlandredaktion geleitet hat) sei zwar innenpolitisch gut – «aber manchmal sind auch wir besser». Er werde dafür kämpfen, dass der Einfluss der Ostschweiz auch künftig gewahrt bleibe.
Anders als die NZZ seien die AZ Medien ein Partner, der mit Zeitungs-Titeln in verschiedenen Kantonen und mit entsprechend verschiedenen Befindlichkeiten Erfahrung habe, der die Stadt-Land-Gegensätze kenne und regional verankert sei. Da bahne sich eine Zusammenarbeit «auf Augenhöhe» an, ist Schmid überzeugt. Gefallen sei aber erst der Grundsatzentscheid; «zuerst braucht es das Plazet der Weko, bevor Inhaltskonzepte erstellt werden können».