«Nur» ein Schopf

Schon monatelang stehen in der Hinterhofzeile zwischen Rorschacher- und Museumstrasse in St.Gallen in einem der Gärten die Bauvisiere. Ein kleines Wohnhaus mit höchstens 60 Quadrameter Grundfläche habe dort Platz, ist bei der Baubewilligungsbehörde zu erfahren. Dafür wird ein Holzschopf mit einem Waschhäuschen, abgebrochen – ein Zeuge der Stadtgeschichte, der bis vor kurzem im Inventar der schützenwerten Objekte aufgeführt war.
Im Schutzinventar steht: «Aufgrund (…) der Tatsache, dass die Hinterbauten Teil der gesamten Überbauung sind und damit städtebaulichen sowie sozialhistorischen Wert haben, sind die Bauten Nr. 9 und 11 schützenswert.» Doch inzwischen ist das Hinterhofgebäude der Rorschacherstrasse 9, an dem die Visiere stehen, auf Antrag des Eigentümers vom Stadtrat aus dem Schutz entlassen worden. Die Nutzungsmöglichkeiten des Schopfs und die Bausubstanz seien ungenügend. Zwar hat sich die städtische Denkmalpflege in ihrer Stellungnahme für den Erhalt des Zeitzeugen stark gemacht, doch ohne Erfolg.
Hinterhof und Tankstelle
Damit hat der Stadtrat zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren das Schutzinventar ausgedünnt. Auch das Fünfzigerjahre-Gebäude an der Torstrasse mit der früheren Tankstelle und dem heutigen Klang & Kleid-Laden wurde aus dem Inventar entlassen. Ein bisher nicht realisierter Dachausbau gab dafür den Ausschlag. Der Stadtrat hatte wenig dafür übrig, dass dieser Bau aus den Fünfzigerjahren – Bauten, die im Moment vom Heimatschutz als Schutzobjekte propagiert werden – erhalten bleibt. Das Haus sei energetisch schlecht, die Räume zu klein.
Denkmalpfleger Niklaus Ledergerber ist enttäuscht, denn Entlassungen aus dem Inventar dürften nur erfolgen, wenn es ein übergeordnetes öffentliches Interesse dafür gibt. Wirtschaftliche Kriterien seien hier nicht vorgesehen.
Für Denkmalschutz ohne Abhängigkeiten
Wie der Stadtrat solche Entscheide fällt, hatte er in einer Interpellationsantwort im Oktober 2012 erklärt. Damals schrieb er unter anderem, er fälle keine «politischen» Entscheide. Er nehme «eine sachliche Interessenabwägung in Kenntnis der verschiedenen Fachbeurteilungen» vor.
Weil dies den Interpellantinnen und Interpellanten Gallus Hufenus (SP), Maria Huber (CVP), Thomas Brunner (GLP) und Cécile Federer (Grüne) nicht genug war, doppelten sie mit einem inzwischen erheblich erklärten Postulat nach. Nun muss der Stadtrat einen Bericht über die Rolle und Position der städtischen Denkmalpflege erarbeiten. Verlangt wird im Vorstoss eine «aus auswärtigen Fachleuten zusammengesetzte Denkmalschutz-Expertenkommission ohne lokale Interessenbindungen nach dem Vorbild der Stadt Bern».
Der Hintergrund der Forderung ist klar: Die landesweit immer mehr unter Druck geratende Denkmalpflege stärken – in der Stadt St.Gallen ist dies angesichts des noch immer unklaren Schicksals der Villa Wiesental besonders nötig.