Noch Jahre bis zur «Velostadt»
Das Velo geniesst in St. Gallen keinen hohen Stellenwert. Die Wunschliste ist lang: eine bessere Verkehrsführung, mehr Veloparkplätze und allgemein mehr Rücksicht auf den Langsamverkehr. Was unternimmt die Stadt, um diesen Forderungen gerecht zu werden? Ein Beitrag von Marc Sieger.

«Wir haben eindeutig Nachholbedarf, was den Veloverkehr betrifft.» Steffan Pfiffner, Leiter der Verkehrsplanung der Stadt St. Gallen, ist verantwortlich für den städtischen Veloverkehr. Ungefähr 300 Schwachstellen für Velofahrer gebe es im St. Galler Verkehrsnetz. Man sei jedoch bemüht, diese auszumerzen. Die Stadt habe zurzeit zehn sogenannte Leuchtturmprojekte, um die Verkehrsführung zu verbessern. «Diese befinden sich allerdings noch in den Startlöchern. Zuerst müssen die Kosten geschätzt werde, und dann warten wir noch auf den Prüfbericht vom Bund», sagt Pfiffner. Geplant ist unter anderem eine Verbreiterung der SBB-Brücke beim Bahnhof Winkeln sowie eine Verbindung vom Bahnhof Nord zur Vadianstrasse. Für Sofortmassnahmen stehen laut Pfiffner 400’000 Franken zur Verfügung.
Das Velo-Puzzle
«Eine der grössten Schwachstellen sehen wir bei den Anschlusspunkten an die Innenstadt», sagt Pfiffner. Konkret sind das die Gebiete um die Vadianstrasse, das Brühl- und das Platztor sowie die Zürcherstrasse. Die Velostreifen sind in diesen Gebieten momentan noch wie ein Puzzle angeordnet: da mal ein Velostreifen, dort eine Signalisation, und im nächsten Moment steckt man wieder zwischen Autos. «Unser Ziel ist mindestens eine durchgehende Veloroute», sagt Pfiffner. Deren genauen Verlauf kann er allerdings noch nicht sagen.
Auch auf der St. Leonhardsbrücke sieht der 33-jährige Verkehrsplaner grossen Nachholbedarf. Dort gestalte sich die Suche nach einer sinnvollen Lösung allerdings besonders schwierig. «Auf der St. Leonhardsbrücke ist in erster Linie der Autobahnabfluss zu gewährleisten. Das wird uns vom Bund so vorgegeben», so Pfiffner. Zudem sei der städtische Raum begrenzt, was bauliche Massnahmen zusätzlich schwierig macht. Die Verkehrsplaner seien zurzeit daran, Ideen auszuarbeiten, wie die Verkehrsführung auf der St. Leonhardsbrücke verbessert werden könnte. «Eine Möglichkeit wäre, die Velos an der Fachhochschule hinter dem Hauptbahnhof vorbei über die Lagerstrasse bis zur Kreuzbleiche zu führen.»
Ein anderer Wunsch, den Velofahrer immer wieder äussern, ist der nach mehr Veloparkplätzen. Pfiffner sieht hier jedoch keinen Handlungsbedarf, gebe es doch genug Parkplätze und Stationen über die ganze Stadt verteilt. «Erst wenn das Angebot ausgelastet ist, werden wir weitere Stationen bauen», sagt er. Auch könne er den Wunsch nach gratis Parkplätzen nicht ganz nachvollziehen. «Als Autofahrer muss man ja auch für Parkplätze bezahlen.»
«Wir nehmen die Anliegen ernst»
Die Stadt St. Gallen wird immer wieder kritisiert, die Anliegen der Velofahrer nicht ernst zu nehmen und nur wenig zur Verbesserung der Verkehrssituation zu unternehmen. «Wenn wir mit einem Verbesserungsvorschlag zur Stadtverwaltung kommen, so wird er auf eine lange Liste gesetzt, die sehr langsam abgearbeitet wird», sagt Michael Städler von Pro Velo Region St. Gallen. In anderen Städten würden die Anliegen der Velofahrer laut Städler direkt mit den Behörden und der Polizei vor Ort geprüft, anschliessend würden Massnahmen getroffen. In St. Gallen werde man hingegen hingehalten.
Verkehrsplaner Stefan Pfiffner widerspricht: «Jedes Anliegen wird angeschaut. Wir müssen manchmal jedoch auch Prioritäten setzen.» Auch daure es eine gewisse Zeit, bis entsprechende Massnahmen getroffen werden können. Bis St. Gallen zu einer Velostadt werde, die diesen Namen mit vollem Recht trage, brauche es noch ein paar Jahre Geduld. «Bis vor fünf Jahren stand in St. Gallen schliesslich noch das Auto im Vordergrund.»