No Billag – No Bodensee-Arena?
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Ganz anders bei einer Ablehnung des Volksbegehrens: Weil in Leutschenbach derzeit umgebaut wird und der Abbruch von Studio 1 ansteht, will das Fernsehen SRF zumindest während der nächsten acht Jahre alle seine Unterhaltungskisten in der Bodensee-Arena produzieren. Im Jahr wären das zwischen 24 bis 30 Sendungen mit 500 bis 1’500 Besucherinnen und Besuchern aus der ganzen Schweiz.
Die Thurgauer Grenzstadt würde so zur SRF-Cinecittà. Das bedeutet für die Eigentümerin der Bodensee-Arena, die Stadt Kreuzlingen, jährlich einen Geldsegen von weit über einer halben Million Franken. Eine grosse Entlastung für die Steuerzahler, denn bislang schlägt jedes Jahr der Unterhalt der Eventhalle mit einem Betrag zwischen 800’000 und einer Million Franken zu Buche.
Fingernägelkauen bis zur Abstimmung
Noch aber ist Kreuzlingen nicht Fernsehstadt, und beim Verwaltungsrat der Bodensee-Arena AG kaut man vor der Abstimmung über die No-Billag-Initiative an den Fingernägeln. «Ja, wir müssen in der Tat davon ausgehen, dass der Umsatz, den wir als Bodensee-Arena AG mit dem Schweizer Fernsehen gemacht haben und den wir auch in den nächsten Jahren planen, bei einer Annahme der No-Billag- Initiative stark, im schlimmsten Fall auf Null, zurückgehen würde», sagt VR-Präsident Matthias Mölleney. Jährlich könnte das eine halbe Million Franken sein, je nachdem welches Reduktionsszenario das Fernsehen beim Wegfall der Billag-Gebühren abrufen würde, sagt Mölleney.
Aufatmen wird man in Kreuzlingen erst nach der Abstimmung und bei einem klaren Votum gegen das Volksbegehren. Dann will das Fernsehen SRF nämlich mit dem Verwaltungsrat der Bodensee-Arena AG den Vertrag über die Dauermiete der Eventhalle aushandeln. Was den Leuten aus Leutschenbach vorschwebt, sagte SRG-Unterhaltungschef Christoph Gebel kürzlich dem Internet-Portal persoenlich.ch: «Uns ist wichtig, dass alle grösseren Produktionen an einem Standort zusammengefasst werden können, da sonst die Kosten massiv steigen würden. SRF produziert seit 2008 diverse Shows in der Bodensee-Arena und hat damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Halle hat die ideale Grösse für unsere Produktionen: Sie fasst genügend Zuschauer und bietet eine optimale Infrastruktur.»
Mehrmals vor dem finanziellen Aus
Kreuzlingens Stadt- und Gemeinderat mussten zuerst das Terrain ebnen, damit der Verwaltungsrat der Bodensee-Arena AG mit dem Fernsehen SRF den interessanten Mietvertrag überhaupt abschliessen kann. Das gab böses Blut.
Die Bodensee-Arena ist 1978 als Mehrzweck-Halle mit angegliedertem Hotel- und Gastrobetrieb für den Eissport (Eishockey, Eiskunstlauf, öffentliches Eislaufen und Curling), verschiedene Events und Kongresse eröffnet worden. Trägerinnen waren Kreuzlingen und die deutsche Schwesterstadt Konstanz, die später wieder ausgestiegen ist. Die Halle stand danach mehrmals vor dem finanziellen Aus, bis das Fernsehen als Mieterin für Shows akquiriert werden konnte. 2016 meldete dann das Fernsehen beim Verwaltungsrat der Bodensee-Arena sein Interesse an, die Halle auf Dauer – jeweils zwischen September und Mai – als einzige Mieterin nutzen zu wollen.
Das bedingte eine Änderung der Zweckbestimmung respektive des Baurechtsvertrags zwischen der Stadt Kreuzlingen und dem Verwaltungsrat der Bodensee-Arena. Der Eishockeyclub Kreuzlingen-Konstanz (EHCKK) fühlte sich durch die Periodisierung des Fernsehens ausgebootet und in seiner Existenz bedroht. Der Stadtrat verlangte zur Klärung der Betriebsverhältnisse vom Verwaltungsrat der Bodensee-Arena und vom EHCKK Konzepte mit zugehörigen Businessplänen.
Bei Dauermiete der Halle durch das Fernsehen SRF würde die Eisproduktion in der Halle auf Juli und August beschränkt. Mit entsprechenden Verbesserungen wäre aber das Ausseneisfeld von September bis März für den Eissport voll nutzbar. «Die stark ausgebaute Nutzung durch das Fernsehen SRF bringt der Bodensee-Arena bedeutende Mehreinnahmen an Mieten und Verdienst in den Bereichen Gastronomie und Hotellerie», streicht der Verwaltungsrat heraus. Die Präsenz des Fernsehens SRF generiere zudem eine hohe Wertschöpfung in der Region bei Gewerbe-, Gastro- und Hotelbetrieben. Beträchtlich sei auch der nicht quantifizierbare Nutzen für die Standortwerbung von Kreuzlingen.
Verzicht auf Kompetenzzentrum für Eissport
Der EHCKK wollte hingegen ein überregional ausstrahlendes Kompetenzzentrum für Eissport, kombiniert mit Events. Angedacht wurden dabei Nutzungen wie Eishockey-Trainings, öffentlicher Eislauf, Schulsport, Curling, Trainingslager, Technik-Schulungen, Trainer-Ausbildung, internationale und nationale Turniere, Sportschule, Seniorensport, Behindertensport, Eis-Shows, Firmenevents und ähnliches. Nach diesem Konzept würde die Halle von Juli bis April vorrangig für die Eissportvereine zur Verfügung stehen. Ab Oktober bis März würde zusätzlich Eis auf dem Ausseneisfeld produziert. Der EHCKK vertrat die Meinung, dass sein Betriebsmodell für die Halle einen Ausbau des Eissports in der Region bewirken würde. Bei der Priorisierung des Fernsehens müssen die Eishockeyaner darauf verzichten.
Stadt- und Gemeinderat haben sich für einen Kompromiss entschieden, der bei der Eisnutzung den Schwerpunkt nicht beim Eissport, sondern beim öffentlichen Eislauf hat. Auf dem Parkplatz der Bodensee-Arena und der angrenzenden Rasenfläche des Fussballplatzes würde temporär ein Eispark für die breite Öffentlichkeit erstellt. Zusammen mit dem Sommereis in der Halle und dem Wintereis auf dem gedeckten Ausseneisfeld hätte Kreuzlingen neun Monate Kunsteis auf jeweils einem Normfeld und zusätzlich zwei Monate Kunsteis im ungedeckten Eispark.
Für den Eissport ist diese Lösung ein Rückschritt gegenüber der heutigen Situation. Damit könne weder eine Entwicklung im lokalen Eissport noch eine Eliteausbildung im Talent-Campus Bodensee erfolgen, heisst es beim EHCKK.
Behörden wollen das Label «Fernsehstadt»
Der Ausgang der No-Billag-Abstimmung entscheidet, ob Kreuzlingen künftig «Fernsehstadt» wird oder nicht. Stadt- und Gemeinderat wünschen sich das TV-Label, denn die Fernseh-Präsenz hätte eine positive und nicht bezahlbare Wirkung auf den Bekanntheitsgrad Kreuzlingens in der übrigen Schweiz, wie es deutlich in der stadträtlichen Botschaft zur Änderung des Baurechtsvertrags geschrieben steht. Das Engagement des Fernsehens in Kreuzlingen würde stark zum positiven Image der Grenzstadt in der Schweiz beitragen, heisst es dazu weiter.