Niedergang mit Ansage: UBS miniature im Fussball
Es gibt Entwicklungen, die liegen sozusagen in der Luft. Der Niedergang der Betriebs AG des FC St. Gallen gehört zu dieser Kategorie. Weil die Zusammenstellung der Schlagzeilen „en choge Chrampf“ war (damals im Februar 2009!) und uns heute doch noch recht aktuell erscheint, holen wir den Ostblog-Eintrag von damals gerne nochmals aus dem Keller der digitalen Asche in den digitalen Urnen.
Erstmals publiziert im Saiten-Ostblog am 15. Februar 2009:
UBS miniature – Die FC St. Gallen AG
Staatshilfen sind fraglos en vogue. Lehman Brothers, Automobil-Industrie oder die UBS: Sie alle scheinen vom Finanzphänomen FCSG gelernt zu haben. Mindestens drei Mal wäre der Club in den letzten Jahren Konkurs gewesen, hätte Stadt und Kanton nicht regelmässig mit Steuergeldern unter die Arme gegriffen. Der FCSG war der Zeit ohne Zweifel voraus – zumindest in dieser Hinsicht. Beginnen wir im Jahr 1983. Ganz sanft begann es mit einer Schlagzeile in der (schon fast vergessenen) Zeitung «Sport»:
- FC St. Gallen: 23’000 Franken Defizit!
Was für Zeiten! Ein Aufmacher und (späteres) Geschrei wegen ein paar tausend Franken. Weiter im Text, beziehungsweise mit dem Blättern im Archiv. Mit jedem Jahr schien hinter den Roten Zahlen eine Null zu wachsen. Vergleichbar mit der notwendigen Punktezahl für ein Freispiel bei den Flipper-Automaten oder den entgleisten Finanzmärkten der jüngeren Vergangenheit.
- Januar 1987: Espen brauchen 1 Million – Baby stiftete 35 Rappen (Blick)
- September 1987: Sanierung des FC St. Gallen mit Stadtbeteiligung (NZZ)
- Dezember 1987: Schon 1/2 Million Franken für kranken FC St. Gallen (Blick)
- November 1988: FC St. Gallen: Jetzt rollen Köpfe (Blick)
- März 1989: Präsi Gantenbein tritt ab: Ohne mich wäre der FC St. Gallen tot! (Blick)
- April 1992: St. Gallen plant Putsch: Boss Hidber muss weg! (Blick)
- April 1992: Geldgeber stützen Hidber – Dämpfer für die Putschisten (Blick)
- November 1992: FC St. Gallen: Kein Geld – und kein Kredit mehr (Blick)
- November 1992: Espen-Hidber: «Ich weiss, dass ich der Latschi bin» (Blick)
- August 1993: Die Rückkehr des FC St. Gallen auf sicheren Kurs (NZZ)
- Dezember 1994: Starker Beginn der Aktion «Rettet den FC St. Gallen» – 131’000 Franken und ein neuer Boss (Blick)
- Mai 1995: Zuversichtlich, dass die Lizenz erteilt wird (Tagblatt)
- Mai 1995: Espen: Lizenz in 2. Instanz verweigert! (Blick)
- Mai 1995: FC St. Gallen: NLB wäre kein Drama (Blick)
- Juni 1995: Nationalliga-Komitee heisst Begnadigungsgesuch gut – Schulden um eine Million Franken reduziert (Tagblatt)
- September 1998: St. Galler Unruhe (Tages Anzeiger)
- September 1998: «Wir wollen keine Schlammschlacht» – Die Gruppe um Vizepräsident Victor Rohner verzichtet auf eine Kandidatur – Weg frei für Thomas Müller (Tagblatt)
- September 1998: Wieder eine Frage des Geldes – Noch müssen beim FC St. Gallen Gräben zugeschüttet und Geschäftsleitungs-Mitglieder gesucht werden (Tagblatt)
- April 1999: Die Chance, bei Null zu beginnen (Basler Zeitung)
- April 2000: Der FC St. Gallen auch politisch erfolgreich – Land zum Vorzugspreis für ein neues Stadion (NZZ)
- Oktober 2000: «Wir dürfen uns nicht blenden lassen» – Der FCSG weist im Vereinsjahr 1999/2000 einen Gewinn aus, Interview mit Präsident Thomas Müller (Tagblatt)
- November 2000: Jelmoli lässt Fussball spielen – Der Konzern investiert 114 Millionen ins St. Galler Stadtion – Ehrgeiziger Zeitplan für den Bau (Tagblatt)
- Dezember 2001: «…dann ist Lichterlöschen» – Verzögert sich der Stadionbau, steht der FC St. Gallen vor existenziellen Problemen (Tagblatt)
- September 2002: Verzichten St. Gallens Spieler auf einen Teil des August-Lohns? – Interview mit Captain Patrick Winkler (Tagblatt)
- Oktober 2002: Kauft Optionen! Wie der FC St. Gallen das ungebaute Stadion ausschöpft (NZZ)
- Dezember 2002: Einmalige Unterstützung für den FC St. Gallen – Kanton St. Gallen zeichnet aus dem Sport-Toto-Fonds 100 Sitzplatz-Optionen im Gesamtwert von 200’400 Franken (Medienmitteilung Kt. St. Gallen)
- Januar 2003: FC St. Gallen: Lizenz in Gefahr (Tagblatt)
- Januar 2003: Noch fehlen 500’000 Franken – Die Geldbeschaffungs-Aktionen sind ins Stocken geraten (Tagblatt)
- Juni 2003: Die Millionen-Grenze erreicht – Dem FC St. Gallen fehlen noch 250’000 Franken, um die Lizenz-Auflage zu erfüllen
- Juni 2003: Stadt gibt Bauland gratis ab (Tagblatt)
- Februar 2004: Angst um das Ansehen der Stadt? Stadtpräsident und Leiter der Tourist-Info sehen zwischen dem Image der Stadt und ihrem Fussballclub keinen direkten Zusammenhang (Tagblatt)
- April 2004: 8118 Personen halten Aktien – Erste ausserordentliche Generalversammlung der FC St. Gallen AG (Tagblatt)
- Mai 2004: St. Galler Fussball AG mit Start-up-Spezialist (Cash)
- April 2005: Keine Lizenz für St. Gallen und Wil (Tagblatt)
- April 2005: FC St. Gallen: Geld im Überfluss aber noch keine Lizenz (Blick)
- Oktober 2007: «Ich stelle eine Crew zusammen» – Edgar Oehler organisiert eine ausserordentliche Generalversammlung der FC St. Gallen AG (Tagblatt)
- Dezember 2007: Espenmoos wieder städtisch – Stadion-Genossenschaft löst sich auf – Stadion-Baurecht und Schulden gehen an die Stadt (Tagblatt)
- März 2008: 500’000 Franken für den Fussball-Nachwuchs – Regierung hat einen zusätzlichen Betrag aus dem Sport-Toto-Fonds gesprochen (Tagblatt)
- 27.9.2008: Einmal mehr leere Kassen beim FC St. Gallen (Tagblatt)
- 4.11.2008: FC St. Gallen kämpft gegen Konkurs! (Blick am Abend)
- 5.11.2008: Schriller Wecker für die St. Galler Geldgeber (NZZ)
- 8.11.2008: Der FC St. Gallen muss erneut gerettet werden (Tagblatt)
- 24.11.2008: Espenmoos-Genossenschafter verzichten teilweise auf ihr Geld – Rund 600’000 Franken für den FCSG (Tagblatt)
- 24.12.2008: Hüppi und die Morgenröte – Dank namhaften Beträgen von Personen und Firmen ist die Liquidität gesichert (Tagblatt)
- 6.1.2009: Fan-Dachverband: «Keine Spenden ohne Mitsprache» (20 Minuten)
- 13.2.2009: FC St. Gallen droht Konkurs (Tagblatt)
Wenigstens die letzten Schlagzeilen dürften den meisten noch erinnerlich sein. Man vergisst so schnell im «Informationszeitalter». Ein Glück gibt es noch Medienarchive. Die helfen gegen das Vergessen. Oder beim Recherchieren. Wir nehmen jedenfalls Wetten an, wann die nächste Steuergeld-Finanzspritze der letzten Heiligen Kuh der Stadt das Überleben sichern wird.
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Leider hat damals niemand mit uns gewettet…