Nicht verloren, halb gewonnen
Den Pessimismus hatten die Fans auf der Reise zum Auswärtsspiel nach Zürich nicht abgelegt. Nur wenige glaubten daran, dass die Espen nach zuletzt zwei Siegen – und gar drei Spielen ohne Niederlage – noch einmal einen Vollerfolg feiern könnten. Insofern hätten vermutlich viele vor dem Spiel sofort eingeschlagen, wäre ihnen ein Unentschieden angeboten worden. Und deshalb dürften die meisten wohl auch zufrieden gewesen sein, als der Schiedsrichter das Spiel gegen die Grasshoppers beim Stand von 2:2 abpfiff.
Platz sechs für die Espen
Was trotz Alkoholverbot nur Wenige realisierten: Tatsächlich markierte der Schlusspfiff den vorläufigen Höhepunkt der Saison. Seit nunmehr vier Spielen ist der FC St.Gallen ungeschlagen. Acht der bisher 18 Punkte holten die St.Galler in den letzten vier Spielen. Mittlerweile liegt das Team auf Platz 6, so gut wie die ganze Saison noch nie. Mit dem Ausgleich von Ajeti kann der FC St.Gallen nun sogar darauf verweisen, in jeder Spielviertelstunde getroffen zu haben.
Auch der Vergleich mit den vergangenen Saisons birgt Grund zu verhaltenem Optimismus, obwohl wir nach dem fünften Spieltag diesbezüglich noch unsere Zweifel hatten: In der Abstiegssaison 2010/11 fiel der FCSG am 16. Spieltag von Rang 7 auf Rang 8 zurück, in der Abstiegssaison 2007/08 war er schon weit früher auf den hintersten Rängen zu finden. Der FCSG Ausgabe 2016/17 hat sich an diesem 16. Spieltag von Rang 7 auf Rang 6 verbessert: Das stimmt positiv.
Zinnbauer hat keine Antworten
Alle diese erfreulichen Tatsachen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die St.Galler Mannschaft am Samstag wieder zwei komplett unterschiedliche Gesichter zeigte –wie schon so oft in dieser Saison. Während das Team in der ersten Halbzeit eine der bisher besten Saisonleistungen zeigte, funktionierte in der zweiten Halbzeit überhaupt nichts mehr und die St.Galler überliessen das Spieldiktat von A bis Z den Zürchern. Zum Schluss mussten sie gar um den Punkt fürchten, als Zürichs Caio in der Nachspielzeit zum Glück nur die Latte traf.
Dass sich Trainer Joe Zinnbauer nach dem Spiel in einem Interview äusserte, er könne nicht nachvollziehen, warum man in der zweiten Halbzeit so schlecht aufgestellt war, trägt nicht zur allgemeinen Beruhigung bei. Ebenso wenig beruhigend wirkt, dass der FCSG zu viele Tore kassiert.
Das mag erstaunlich klingen, wenn man im Ligavergleich am drittwenigsten Gegentore kassiert hat. Aber wenn man so wenige Tore schiesst wie der FC St.Gallen bisher in dieser Saison, müsste entsprechend wenigstens die Defensive stabiler sein. Pro Spiel muss Lopar nämlich durchschnittlich 1,6 Mal hinter sich greifen. Der gegnerische Torwart nur 1,1 Mal.
Die Gerüchteküche brodelt
Und dann sind da noch die Vorgänge neben dem Platz: Erst wird Assistenztrainer Martin Stocklasa entlassen, ohne dass Gründe zu erfahren wären. Die Pressekonferenz vor dem Lausanne-Spiel – dem ersten Spiel nach der Entlassung – schürte die Spekulationen weiter. Mediensprecher Daniel Last und Trainer Zinnbauer wollten oder konnten keine Auskunft erteilen.
Und wenig später hört man, dass Dölf Früh einen Käufer für den Club suchen soll. Auch wenn die Quelle mit Christian Constantin nicht unbedingt die beste ist, wird es um den FCSG so sicher nicht ruhiger, im Gegenteil.
Bleibt zu hoffen, dass die Mannschaft bis zur Winterpause weiter punkten kann. Dann könnte in den rund zwei Monaten Pause Ruhe einkehren – im sportlichen Bereich und im Umfeld.
Das Senf-Kollektiv besteht aus 15 fussballverrückten Frauen und Männern. Es gibt die St.Galler Fussballzeitschrift Senf («S’isch eigentli nume Fuessball») heraus und betreibt daneben auch einen Blog. Senf kommentiert auf saiten.ch das Geschehen auf und neben dem Fussballplatz.