Neulich im Verschwörungs- und Musikantenstadl Kurzeck

Verstehen sich hervorragend: Daniel Stricker und Andreas Glarner. (Bilder: fä)

Letzten Freitag lud der bekannte Massnahmenkritiker Daniel Stricker in der St.Galler Stadtrandbeiz «Kurzeck» zu einem bunten Abend mit Gesprächen, Musik und SVP-Haudegen Andreas Glarner als Hauptgast. Hans Fässler beantwortet die drängendsten Fragen zum Anlass.

Seit 2020 bin ich re­gel­mäs­si­ger Zu­schau­er von «Stri­cker TV». In der Sen­dung vom 23. No­vem­ber 2024 mit dem in­ter­es­san­ten Ti­tel «Krass! SP-‹Mann› Céd­ric Wer­muth ge­steht, dass ihn Wut und Frust auf­fres­sen, was oft zu Ge­walt führt» er­fuhr ich vom ge­plan­ten Fest in Hug’s Kurz­eck am 6. De­zem­ber. Da auch drei Songs von Mi­cha­el Bu­ben­dorf, «Hoch­see­schiff­fahrts-Un­ter­neh­mer» und «Freund der Ver­fas­sung», an­ge­kün­digt wa­ren, wuss­te ich: Da muss ich hin.

Wie kam man da über­haupt hin und rein?

Mit der Ap­pen­zel­ler­bahn, vor­mals Tro­gen­erb­ähn­li, bis Hal­te­stel­le Schwar­zer Bä­ren, dann zu Fuss hin­un­ter zur Spei­cher­stras­se 141. Ge­la­den wa­ren Mit­glie­der der Frei­heits­par­tei so­wie Sup­port­er von Stri­ckers Ka­nal «lo­cals». Dort wur­de ich kurz­ent­schlos­sen für 15$ pro Mo­nat Mit­glied. Da­mit war es ein güns­ti­ger, um nicht zu sa­gen: bil­li­ger Abend – an­ge­sichts der vie­len At­trak­tio­nen, die ei­nem ge­bo­ten wur­den. Und der Dol­lar ist ja auch nicht mehr, was er ein­mal war: Stand am 6. De­zem­ber 2024: 88 Rap­pen.

War­um fand das Gan­ze in «Hug’s Kurz­eck» statt?

Mit der dort 1937 ge­plan­ten und ver­hin­der­ten Na­zi-To­ten­burg hat­te die Ver­an­stal­tung nichts zu tun. Bei­zer Erich Hug, frü­her tä­tig in «Hug’s Och­sen» am Och­sen­k­rei­sel in Gos­sau (die «Och­sen­tour»), ist seit Co­ro­na-Zei­ten ein gros­ser Fan von Da­ni­el Stri­cker. Der be­gna­de­te Break­dan­cer er­zähl­te am spä­te­ren Abend dann stolz von der Büh­ne her­ab, er ha­be sich nie ge­tes­tet, nie ge­impft und nie ei­ne Mas­ke ge­tra­gen. Und im Kurz­eck ha­be er «al­li ine­loh». 

 

In der ur­sprüng­li­chen Fas­sung hiess es, Hug ha­be «die ver­lang­ten Mass­nah­men in sei­nem Kurz­eck nie um­ge­setzt: kei­ne Impf­zer­ti­fi­ka­te, kei­ne Mas­ken». Die­se For­mu­lie­rung wur­de an­ge­passt. 

Die geplante Nazi-Kriegsgräber-Totenburg auf Kurzeck (Zeichnung: Ernst Ziegler)

Wie war die Stim­mung im Saal?

Bei ei­nem le­cke­ren Thai-Cur­ry, ei­nem gu­ten Rot­wein und in­ter­es­san­ten Tisch­ge­sprä­chen aus­ge­zeich­net. Mit The­men wie Chem­trails, Da­nie­le Gan­ser, Zer­reis­sen von Ser­a­fe-Rech­nun­gen, Ar­gu­men­te für Flat Earth, In­exis­tenz von Vi­ren, Stri­ckers Buch der Schan­de, ver­stei­ner­te 300 Me­ter ho­he Rie­sen­bäu­me, Elon Musk und An­ar­cho­ka­pi­ta­list Ja­vier Mi­lei brach­te sich das an sich schon gut ge­laun­te Pu­bli­kum in Stim­mung. Und wur­de dann durch Stri­ckers «Ta­ges­schau» mit an­ge­nehm-gru­se­li­gen Nach­rich­ten via Bea­mer be­lohnt: EU-Vor­schrif­ten für Land­frau­en-Ku­chen auf Weih­nachts­märk­ten, Still-Ver­bot für Trans­frau­en, Völ­ker­ball als po­li­tisch nicht mehr kor­rek­tes Spiel, usw. Da­zu gab es Man­darin­li, Erd­nüss­li und köst­li­che Chrä­be­li.

Gab es brea­king news?

Ja, voll! Der Wal­li­ser Ro­ger Bit­tel hat seit Co­ro­na als of­fi­zi­el­len Wohn­ort Ki­zim­ka­zi auf San­si­bar. Sein Le­bens­mit­tel­punkt ist un­klar, wenn er über­haupt ei­nen hat. Er ist mal in der Schweiz, dann mal wie­der auf Nord­zy­pern. Im Kurz­eck-Saal ver­such­te der Kryp­to-Wäh­rungs­pio­nier, IT-Un­ter­neh­mer, Gra­fi­ker und Fo­to­graf zum ge­fühlt sie­ben­und­dreis­sigs­ten Mal, ein to­tes Pferd zu rei­ten. Tief über­zeugt, dass nun al­les auf­fliegt, be­rich­te­te er über ei­nen Po­li­zei­of­fi­zier in Ber­ga­mo, wel­cher grad kürz­lich ge­gen­über der ita­lie­ni­schen Co­vid-Un­ter­su­chungs­kom­mis­si­on aus­ge­sagt ha­be, dass in den Mi­li­tär­last­wa­gen vom März 2020 nur je ein Sarg ge­we­sen sei. Die na­tür­lich kon­spi­ra­ti­ve Lo­gik da­hin­ter: Der Kon­voi soll­te viel län­ger aus­se­hen und für die Welt­öf­fent­lich­keit ei­ne ma­xi­ma­le Schock­wir­kung er­zie­len. Die Wir­kung der Ent­hül­lung auf den Kurz­eck-Saal war ma­xi­mal: Fast al­le im Pu­bli­kum nick­ten be­geis­tert.

Was trug Stri­cker?

Er trug ei­nen Zip Hoo­die, ei­nen Ka­pu­zen­pul­li mit Reiss­ver­schluss, mit dem Auf­druck «Fight, Fight, Fight» mit ei­ner raf­fi­nier­ten Ty­po­gra­fie, die ein Schwei­zer­kreuz er­gibt. Die gibt es in sei­nem Shop auch auf T-Shirts für Fr. 49.-/Stück und auf ei­ner Base­ball Cap für Fr. 29.-. Ei­ne sol­che Müt­ze über­reich­te Stri­cker nach dem Talk sei­nem Gast An­dre­as Glar­ner, der sinn­ge­mäss sag­te, die kön­ne er zum Wan­dern brau­chen, aber dann doch da­vor zu­rück­schreck­te, sie sich auf­zu­set­zen. Die net­te und spe­di­ti­ve Be­die­nung in Hug’s Kurz­eck trug üb­ri­gens al­ler­hand lus­ti­ge San­ta-Claus-Items wie Müt­zen, Kos­tü­me und Haar­rei­fen.

Das exklusive Fight-Shirt aus dem Strickershop

Wird Mi­chi Bu­ben­dorf der Bob Dy­lan der Ver­schwö­rungs­schwurb­ler­wirr­köp­fe­sze­ne?

Eher nicht. Er sang, wie es bei Hein­rich Hei­ne heisst, «mit wah­rem Ge­füh­le und fal­scher Stim­me». So falsch, dass man aus dem ihm sehr wohl­ge­sinn­ten Pu­bli­kum so­gar hör­te: «Da isch scho no mue­tig!» Das zwei­te Lied schien sei­nen Welt-, See­len- und Co­ro­naschmerz aus­zu­drü­cken, zu­min­dest konn­te man das Reim­paar «Never free / never me» her­aus­hö­ren. Von ganz an­de­rer Qua­li­tät war sein ers­ter Song. Da hör­te man – nebst viel an­glo­phil Un­ver­ständ­li­chem – deut­lich den be­deu­tungs­schwe­ren Re­frain «Lest we for­get / the gre­at re­set!» her­aus (Deutsch: Auf dass wir nicht den gros­sen Re­set ver­ges­sen!). Ob Bu­ben­dorf da­bei von Ki­pling be­ein­flusst war, der in sei­ner Hym­ne Re­ces­sio­nal den Stolz auf das bri­ti­sche Em­pire, aber auch des­sen Ver­gäng­lich­keit aus­drückt («Judge of the Na­ti­ons / Spa­re us yet / Lest we for­get – / Lest we for­get!»), oder von Klaus Schwabs «gros­sem Neu­start» am WEF 2020 – das war an die­sem Abend nicht in Er­fah­rung zu brin­gen. Mu­si­ka­lisch sehr viel pro­fes­sio­nel­ler wur­de es dann spä­ter am Abend, als der Sän­ger und Mu­sik­pro­du­zent Sal­va­to­re «Sal­vo» In­gras­sia die Büh­ne be­trat. Un­ver­gess­lich sein Hit Lo­sed sie Frau Küen­zi, bitz­li gwagg­le müend si, der 1989 von Charles Le­win­sky ge­tex­tet und von Car­lo Brun­ner ver­tont wur­de.

Mutig: Michael Bubendorf

War SVP-Glar­ner ex­trem rechts oder rechts­extrem un­ter­wegs?

Der Wein-, Spi­ri­tuo­sen- und Oli­ven­öl­händ­ler aus dem Aar­gau, der über die «Och­sen­tour» Na­tio­nal­rat ge­wor­den ist, war gross­ar­tig. Zu­sam­men mit dem schlag­fer­ti­gen und zeit­geist­rei­chen Stri­cker mach­te er Co­me­dy vom Feins­ten. Das Gür­tel­li­ni­en­ni­veau lag ir­gend­wo zwi­schen Peach We­ber und «Co­me­dy­män­ner», aber was die bei­den wäh­rend ei­ner gu­ten hal­ben Stun­de auf die im­mer wie­der an­ders be­leuch­te­te Büh­ne brach­ten, war um Län­gen bes­ser als Büs­si, Schwei­zi, Her­zi, Vet­ti, Iva­ni, Fa­bi, La­da­ri, Pat­ti, Zuc­co­li, Mut­zi und wie all die Co­me­di­ans und Clowns in der ge­schütz­ten Werk­statt «SRF» heis­sen. So­gar die we­ni­gen hart­ge­sot­te­nen Lin­ken in «Hug’s Kurz­eck» muss­ten la­chen.

Comedy vom Feinsten: Stricker und Glarner

Was für Jo­kes plat­zier­te der in Gla­rus hei­mat­be­rech­tig­te Aar­gau­er Glar­ner zum Bei­spiel?

Nen­nens­wert sind min­des­tens vier. «Was ist der Un­ter­schied zwi­schen ei­nem Elek­tro­au­to und Durch­fall? Es gibt kei­nen. Man ist in bei­den Fäl­len froh, wenn man es nach­hau­se schafft.» Noch bes­ser: «Aar­gau­er Wein er­füllt den Tat­be­stand der Kör­per­ver­let­zung.» Dann ei­ner im Zu­sam­men­hang mit Glar­ners fi­nan­zi­el­len Ver­lus­ten im Wein­ge­schäft: «Ba­ron von Roth­schild sag­te zu ei­nem Ver­mö­gens­ver­wal­tungs­kun­den: ‘Ihr Geld ist nicht ver­lo­ren. Es ge­hört jetzt nur ein­fach je­mand An­de­rem.’» Und schliess­lich der hier: «Nicht je­der Mus­lim ist ein Ter­ro­rist, aber fast je­der Ter­ro­rist ist ein Mus­lim!» Letz­te­re Aus­sa­ge wur­de, das soll hier nicht ver­schwie­gen wer­den, aus dem Pu­bli­kum durch ei­nen Zwi­schen­ruf her­aus­ge­for­dert. Ob es da­zu Zah­len ge­be, rief je­mand. 

Was war der von Stri­cker an­ge­kün­dig­te «Tief­punkt»?

Stri­cker ist Lie­derrma­cher, ein th­ree hit won­der: «Frei ge­zeugt und frei ge­bo­ren», «Sel­ber ge­macht» und «Let’s Make die Schweiz Win­ne­tou Again». Schon im Vor­aus hat­te er von ei­nem pro­vo­zie­ren­den neu­en Song mit dem Ti­tel «Ihr wer­det von den Brü­cken hän­gen» ge­raunt. Am Abend in St.Gal­len kün­dig­te er dann an, er wer­de am Schluss des Abends, als ab­so­lu­ten «Tief­punkt», die­ses Werk ur­auf­füh­ren, um dann gleich noch Da­nie­le Gan­ser zu dis­sen. Stri­cker, der Glar­ner «ei­nen ech­ten Mann» nann­te, der den gan­zen Abend mit «Ei­er»-Me­ta­phern bril­lier­te und auch gern köst­li­che Wit­ze über Pe­nis­grös­sen mach­te, hält den His­to­ri­ker und Frie­dens­for­scher und 9/11-Pro­phe­ten of­fen­bar für ein Weich­ei. Dem wer­de er nun, so ein rich­tig an­ge­törn­ter Stri­cker, ein für al­le Mal zei­gen, wer hier der kras­se und furcht­lo­se Wi­der­stands­kämp­fer und Zam­pa­no sei. 

Und, wie war das Lied?

Der «Ch­laus-Hit» war ei­ne her­be Ent­täu­schung. Trotz Her­um­ge­fuch­tel mit gros­sen Mes­sern, trotz mehr sprach­li­chem Dreck und grim­mi­gem Drein­schau­en, trotz rei­zen­dend Wör­ten wie «Schai­tan» und «Nürn­berg» und trotz Breit­sei­ten ge­gen Bu­shi­do, Cam­pi­no, Fa­rin, Smu­do, Si­do, Ber­ger, Koch, Ber­set, Mer­kel und Lau­ter­bach u.a.m. ge­lang es dem «Rap-Gott» (Stri­cker über Stri­cker) nicht, den Ein­druck zu zer­streu­en: Dass da ei­ner auf Ma­ri­lyn Man­son des Thur­gaus macht und dass da ei­ner glaubt, sich aus­to­ben, den har­ten Kerl und den Frei­heits-Gue­ril­le­ro mar­kie­ren zu müs­sen, weil ein­fach nie­mand den ehe­ma­li­gen Im­mo­bi­li­en­be­wirt­schaf­ter, den Hoch­zeits- und Trau­er­red­ner ein­mal in den Arm nimmt und zu ihm sagt: «Al­les ist gut, Da­ni. Al­les ist gut. Pssst, Da­ni! Ru­hig! Es gibt ein Le­ben nach Co­ro­na, Da­ni! Pss­sst! Komm zu dir! Komm zu mir! Al­les wird gut!»

 

Hans Fäss­ler, 1954, ist His­to­ri­ker und Ka­ba­ret­tist. Seit 2017 ver­sucht er her­aus­zu­fin­den, was pas­siert, wenn man sich frei­wil­lig in Par­al­lel­wel­ten be­gibt. Nach Be­su­chen bei Peach We­ber, Da­nie­le Gan­ser, Chris­toph Blo­cher, dem FC St.Gal­len und An­dre­as Ga­ba­lier setzt er heu­te sei­ne Se­rie «Von-ei­ner-Fil­ter­bla­se-zur-an­de­ren» mit Da­ni­el Stri­cker & fri­ends fort.

Videostill aus «Sie werden von den Brücken hängen»