Napalm-Opfer erzählt aus seinem Leben

Son Doan erlitt 1968 bei einem Napalmangriff auf sein Elternhaus in der Nähe der vietnamesischen Stadt Hue schwere Verbrennungen. Terre des Hommes brachte den Elfjährigen zur medizinischen Behandlung in die Schweiz. Heute lebt er wieder in Vietnam und pflegt seine Tante, die ihm vor 50 Jahren die Wunden versorgte. notiert von Harry Rosenbaum
Von  Gastbeitrag
Son Doan (links) als Kind in Zürich. (Bild: pd)

Für das, was US-General Westmoreland mit seiner Art von Kriegsführung Zehntausenden von Menschen in Vietnam angetan hat, ist Son Doan ein erschütterndes Beispiel. 1968 wurde sein Elternhaus in der Nähe von Hue von einer Napalmbombe getroffen. Er erlitt schwerste Verbrennungen. Seine Mutter starb kurze Zeit später an den Folgen des Angriffs. Son Doan wurde von Edmond Kaiser, dem Gründer von Terre des Hommes, als Elfjähriger zur medizinischen Behandlung in die Schweiz gebracht. Er ist in Zürich bei einer Pflegefamilie aufgewachsen und liess sich nach dem Abschluss der Schule zum Gärtner ausbilden. Jahrelang litt er an einem schweren Kriegstrauma, heute hat er es überwunden. Mit 50 liess er sich in der Schweiz die Pensionskasse auszahlen und ging mit seiner Frau zurück nach Vietnam.

Son Doan heute in seinem Garten in Vietnam bei der Tomatenernte. (Bild: pd)

Son Doan: «Ich erinnere mich an den fürchterlichen Knall bei der Explosion der Bombe, die auf unser Haus fiel. Da war überall weisses Pulver, in meinem Gesicht und auf den Armen. Das Haus brannte und die Hitze war unerträglich. Meine Tante kühlte mich mit Wasser. Tagelang hatte sie gefächert, um mir Linderung zu verschaffen und die Fliegen zu vertreiben. Ich fiel in Ohnmacht. Erst als die Kämpfe nachliessen und die Strassen wieder passierbar waren, konnte mich mein Onkel nach Hue ins Spital transportieren. – Meine Tante lebt noch. Sissi, meine Frau, und ich pflegen sie. Die Tante kann nicht mehr gehen und hat auch sonst Altersbeschwerden. Manchmal erkennt sie uns, manchmal nicht.

Der Neuanfang, damals in der Schweiz, war schwierig, aber auch lustig. Meine Pflegeeltern gaben mir Emmentalerkäse zu essen. Ich hatte zuvor nie Käse gegessen und kannte diese Speise auch nicht. Ich sagte aus Protest, ich wolle keine Seife essen. Als in Zürich der erste Schnee fiel, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus und freute mich ungemein über das Ereignis. In der vierten Schulklasse hatte die Stadt Zürich für mich einen privaten Lehrer organisiert. Meine Pflegeeltern und meine Pflegeschwestern achteten darauf, dass ich vorerst nur Hochdeutsch lernte. Alle Verwandten und Bekannten mussten sich mit mir in dieser Sprache unterhalten.

Die Schmerzen der Napalmverbrennungen verspürte ich vor allem nach der Operation. Ich wurde insgesamt 16 Mal operiert. Die Narben tun nicht weh. Sie lösen aber Angst und Ekel bei anderen Menschen aus. Sie stufen mich als behindert und dumm ein, weil ich durch die Verbrennungen etwas anders aussehe.

Es war richtig, nach Vietnam zurückzukehren, vor allem, um meiner Tante danke zu sagen. Sie hat mir immer geholfen. Jetzt kann ich mich revanchieren.»

2017 hat das Schweizer Fernsehen einen Dok-Film über Son Doan gedreht: