Als ich die letzte Kolumne schrieb, stand keine einzige Pflanze in meiner Wohnung. Jetzt stehen da acht: zwei auf dem Tisch und eine auf der Kommode, vier auf dem Bücherregal und eine kleine auf dem Fenstersims. Ich habe mir vorgenommen, so lange Pflanze um Pflanze zu mir nach Hause zu nehmen, bis ich geheilt bin. Oder bis es keinen Platz mehr in meiner Wohnung hat, bis ich beim Giessen, Schneiden, Abstauben, Umtopfen aus Versehen stolpere und von einem Kaktus erstochen oder vom Blumentopf eines kleinen Baumes erschlagen werde. Bis von mir nichts mehr übrig ist, bis da nur noch Pflanzen sind, über meinen toten Körper gewuchert, als wäre ich eine Ruine, die seit Jahrhunderten von keinem Menschen mehr berührt wurde. My body is a temple, und so fühlt er sich auch an. Und ich hab die Pflanzen ja nicht nur aus Verzweiflung gekauft, sondern auch wegen der Schadstoffe von draussen, damit die Luft besser riecht, und also werden sie wohl auch den Gestank eines verwesenden Körpers aufnehmen, und ich lebe alleine, kenne kaum wen hier, es ginge Wochen, bis man mich finden würde. Und dann hätte der Wanderfarn schon step by step meinen toten Körper erkundet, go touch some grass, und wenn das doch nicht geholfen hat, dann wirst du halt vom grass getouched. Immerhin von irgendjemandem angefasst, denn die Menschen wollen das kaum mehr, my body is a temple, aber so einer aus Indiana Jones. Man erzählt sich, er sei verflucht und niemand traut sich in seine Nähe.
Aber eigentlich sind die Pflanzen ja dafür da, dass ich nicht mehr so einen depressiven Scheiss schreibe. Damit ich Dinge habe, auf die ich aufpassen muss, und wenn ich das in einem tagelangen Breakdown doch nicht hinkriege, dann würde mich der Tod von Pflanzen nicht ganz so arg mitnehmen wie der eines Hamsters oder einer Katze oder so. Und ausserdem ist es such a millenial mid life crisis Klischee, sich die Wohnung mit Pflanzen vollzustopfen, sobald man dreissig und traurig ist. Und also mach ich das auch, millenial white girl me, in der Hoffnung, dass das doch kein Trauma ist, nur eine kleine Krise, lol, silly me. Und falls mich doch mal Menschen in der Wohnung besuchen, dann kann ich kleine Witze machen … über meine kleine white girl mid life crisis, da ist nichts Psychotisches dabei, you know, kleine Krise, ein paar Pflanzen in der Wohnung, denn vielleicht ist ja die Wohnung mein Tempel und wenn der gesund ist, bin ich es auch, as above so below, noch eine zweite Monstera neben das Bett und dann ist alles wieder gut. Also lese ich jetzt keine Traumatheorie mehr, sondern sehe mir Videos zur Pflanzenpflege an, plant parent basics 101, und der Typ aus dem Video sagt, wenn bei der Monstera Schlitze in den Blättern auftauchen, dann sei das ein Zeichen dafür, dass es ihr total gut gehe. Ein ungleiches Paar sind wir, die Monstera und ich, aber at least I’m touching some grass. Und maybe it will touch me back und dann liegen wir da, die Pflanze und ich, Hand in Hand, Schlitze in den Blättern, thriving.
Mia Nägeli, 1991, arbeitet nach einer Journalismusausbildung und ein paar Jahren bei verschiedenen Medien heute in der Musikbranche in der Kommunikation, als Tontechnikerin und als Musikerin. Seit Herbst 2024 studiert sie Kunst in Wien.