, 13. Mai 2021
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Nach der «Durststrecke»: der Museumstag

«Museen sind nötig – um sich selber und andere zu verstehen», sagt ein Besucher in einem Videoclip der Appenzeller Museen. Nachzuprüfen bei freiem Eintritt an diesem Sonntag: Dann ist der Internationale Museumstag.

Johanna Kotlaris, zu sehen vom Sonntag an in Heiden. (Bild: Dunant-Museum)

Vielleicht begegnet man in einem der Ostschweizer Museen, die wie zahllose andere weltweit an diesem Sonntag bei freiem Eintritt zu besichtigen sind, der unermüdlichen Myrtha Bossert. Sie sagt von sich selber: «Ich gehe jeden Tag in ein Museum – quer durch die Schweiz.»

Als Folge der Pandemie hatte der Museumsverband VMS seine Mitglieder angeregt, Videoclips zu produzieren. Das Filmteam der Kurzfilme zu den Appenzeller Museen traf die rüstige ältere Dame aus Stäfa im Brauchtumsmuseum Urnäsch an. Die mehrmonatige Schliessung der Museen im Corona-Jahr habe für sie «wahnsinnige Durststrecken» bedeutet, sagt Myrtha Bossert im Film. «Krass.»

 

Seit Anfang März sind die Museen wieder offen, privilegiert damals als erste Kultureinrichtungen nach dem Lockdown. Und auch der Museumstag, 2020 der Pandemie zum Opfer gefallen, kann wieder stattfinden unter den inzwischen routinierten Schutzvorkehrungen, in einigen der Häuser mit Anmelde-Obligatorium. Das Motto dieses Jahr heisst: «Museen inspirieren die Zukunft».

Der Museumstag wurde 1978 vom Internationalen Museumsrat ICOM ins Leben gerufen, um die Öffentlichkeit auf die Rolle der Museen, die diese in der gesellschaftlichen Entwicklung spielen, aufmerksam zu machen. Weltweit nehmen mehr als 34‘000 Museen in mehr als 140 Ländern auf allen 5 Kontinenten mit Aktionen und Veranstaltungen am Internationalen Museumstag teil.

museums.ch

Dass das kein leeres Wort ist, beweisen viele Häuser – in hervorragender Weise etwa das Stapferhaus in Lenzburg, das mit alltagsnahen Themen seit Jahren Furore macht und soeben zum Europäischen Museum des Jahres gekürt worden ist. Dessen Direktorin, die Thurgauerin Sibylle Lichtensteiger, hat in einem Interview mit thurgaukultur.ch ihr Museumsverständnis so umschrieben: «Das Museum des 21. Jahrhunderts leistet Orientierungshilfe in einer komplexen Welt – und zwar nicht indem es erklärt, wie die Welt funktioniert, sondern indem es Zusammenhänge aufzeigt, Geschichten erzählt und sich auch getraut, Fragen zu stellen und zur Diskussion anzuregen.»

Frieden und Garten, Gilsi und Walser

Die meisten Ostschweizer Museen zeigen gratis und teils mit Führungen und ergänzt um Familien-Attraktionen das, was auch sonst zu sehen ist: ihre Sammlung und die laufenden Sonderausstellungen. Einige eröffnen eigens zum Museumstag aber auch neue Ausstellungen. Eine Übersicht über die Neuheiten.

Das Dunant Plaza in Heiden, hier noch mit einer früheren Veranda-Arbeit. (Bild: Dunant Museum)

Dunant-Museum Heiden:
11 Uhr Führung «Der Preis für den Frieden»
11.30 Uhr «Was ist Frieden?»

Dunant Plaza Heiden:
14.15 Uhr Eröffnung der Schau-Veranda

dunant-museum.ch

Das Dunant-Museum Heiden bespielt seit einigen Monaten das leerstehende Hotel Krone am Dorfplatz als Dependance, genannt Dunant Plaza. Den ausladenden Wintergarten, genannt Schau-Veranda, gestaltet die im Tessin aufgewachsene und in Zürich lebende Künstlerin Johanna Kotlaris mit einer Arbeit unter dem Titel «Let me get concrete». Eingeweiht wird sie am Sonntagnachmittag im Anschluss an eine «Gedankenreise» von Andreas Ennulat zum Thema «Was ist Frieden?».

Museum Heiden:
11 – 17 Uhr

museum-heiden.ch

Ein paar Schritte nebenan eröffnet auch das Ortsmuseum Heiden seine neue Ausstellung: Karikaturen von René Gilsi. Der Zeichner, 2020 auch in St.Gallen mit einer Ausstellung gewürdigt, war ein Geistesverwandter des legendären «Nebelspalter»-Zeichners Carl Böckli, dem im Museum Heiden eine Dauerausstellung gewidmet ist. Die Originalzeichnungen von Gilsi aus dem Nachlass der Vadiana umspannen die Jahre 1962 bis 1994 und kritisieren mit Schärfe Auswüchse der Moderne wie Mobilität oder Atomkraft: «Karikaturen – aber keine leichte Kost!», wie der Titel der Ausstellung sagt.

Museum Herisau:
11 bis 17 Uhr

museumherisau.ch

Im Museum Herisau ist einer anderen prägenden Persönlichkeit ebenfalls eine Dauerausstellung gewidmet: dem Schriftsteller Robert Walser, Ausserrhoder Bürger und 1933 bis zu seinem Tod 1956 in der Psychiatrischen Klinik Herisau interniert. Das Walser-Zimmer im ersten Stock des Museums ist jetzt neu gestaltet worden und wird am Sonntag eröffnet; es zeigt unter anderem Erstdrucke der Romane und Gedichte Walsers und gibt Einblick in sein Leben.

Das Schlangenhaus, im Hintergrund Schloss Werdenberg. (Bild: Museen Werdenberg)

Museen Werdenberg:
11 Uhr: Eröffnung des Nutzgartens
10 bis 16 Uhr: Setzlingsmarkt im Hinterstädtli

schloss-werdenberg.ch

Outdoor und damit definitiv coronatauglich ist die neuste Errungenschaft der Museen Werdenberg zu besichtigen: Am Museumstag wird der neu gestaltete Garten vor dem Museum Schlangenhaus eingeweiht. «Als anschaulicher Nutzgarten ist er nun Teil der historischen Erzählung der Museen Werdenberg», heisst es in der Einladung. Der leibhaftige Garten, ein «Museumszimmer unter freiem Himmel», verknüpft sich dabei mit der bemalten Fassade des mittelalterlichen Hauses, deren Bilder an den Jahreskreislauf der Natur und dessen Einfluss erinnern: Eine gute oder schlechte Ernte bestimmte die wirtschaftliche Lage der Menschen.

Luftskulpturen, Geräusche und Funde

Museum of Emptiness St.Gallen:
Samstag und Sonntag 11 bis 17 Uhr

museumoe.com

Eine zweitägige Kurzausstellung kündigt das Museum of Emptiness in St.Gallen zum  Museumstag an: «tender breath» von Philippe W. Jahanguir. «Die bewegten Lebenswege des in London geborenen und in Zürich arbeitenden Künstlers werden in seinen schwebenden Luft-Skulpturen sichtbar, die sich sanft durch den Raum bewegen. Ihre weichen Pflanzenlinien zeichnen immer neue Formen in die Luft und scheinen die Leere tänzerisch zu modellieren», schreibt Museumsgründerin Gilgi Guggenheim. Jede Person begeht den offenen Ausstellungsraum einzeln. Das Motto der «Inspiration», das den diesjährigen Museumstag trägt, erfülle sich im MoE sowohl künstlerisch als auch physikalisch.

Kunsthalle Arbon mit Werk von Reto Boller. (Bild: Kunsthalle Arbon)

Kunsthalle Arbon:
13 bis 17 Uhr
16 Uhr: Finissage

kunsthallearbon.ch

Zur Finissage der aktuellen Ausstellung in der Kunsthalle Arbon ist Norbert Möslang zu Gast. Der St.Galler Künstler und ausgebildete Geigenbauer ist mit seiner «Geräuschmusik», entwickelt aus Konsumelektronik, bekannt geworden. Auch für seine Arbeit als Filmkomponist wurde er mehrfach ausgezeichnet. In der Kunsthalle Arbon interagiert Norbert Möslang nun mit der Ausstellung von Reto Boller und dessen Objekten.

Kunstmuseum Liechtenstein:
10 bis 17 Uhr

kunstmuseum.li

Im Kunstmuseum Liechtenstein werden am diesjährigen Internationalen Museumstag gleich zwei Ausstellungen eröffnet: eine Retrospektive zum Werk des in Rumänien geborenen Künstlers Paul Neagu (1938–2004), der ab 1971 in London lebte und arbeitete, und «Funde aus dem Nachlass» von Bill Bollinger. Beide Ausstellungen können den ganzen Tag über erstmals besucht werden. Das Museum bietet aber noch mehr: In den Ausstellungsräumen der Hilti Art Foundation warten herausragende Werke aus der Liechtensteiner Privatsammlung darauf, entdeckt zu werden. Die Ausstellung heisst «Hauptsache Malerei».

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