Stadtplaner Florian Kessler habe mal zu ihm gesagt, eine Stadt könne nur alle 100 Jahre einen neuen Bahnhof bauen. «Da ist es fantastisch, dass wir das machen dürfen». Mit diesen Worten beschloss Stadtrat Markus Buschor am Mittwochabend die öffentliche Informationsveranstaltung im Bürogebäude der Firma Sigvaris – also dort, wo der neue Bahnhof Bruggen in den kommenden Jahren entstehen soll. Es ist ein Thema, das die (Quartier-)Bevölkerung bewegt: Rund 150 Personen waren gekommen, um sich über den Stand des Projekts und die öffentliche Mitwirkung zu informieren.
Dabei wird gemäss Stadtingenieur Beat Rietmann unterschieden zwischen dem «funktionalen Bahnhof» – also den reinen «Zweckbauten» mit den beiden Perrons und der Unterführung, die die SBB erstellen – und dem «integralen Bahnhof», der die direkte Umgebung und die neue Passerelle beinhaltet. Nur letzterer ist Teil der Mitwirkung. Sie beinhaltet die Passerelle, die beiden Bahnhofsvorplätze auf der unteren Ebene an der Haggenstrasse beim Feuerwehrdepot und der mittleren Ebene an der Gröblistrasse sowie die Perrondächer, die architektonisch auf die Passerelle abgestimmt sind.
Zu diesen Bestandteilen kann sich die Bevölkerung ab 17. Februar auf der elektronischen Plattform der Stadt St.Gallen rund einen Monat lang äussern (Anmeldung unter diesem Link; «Quartier Bruggen» ankreuzen). Die Eingaben wird die Stadt anschliessend auswerten, allenfalls ins Projekt einfliessen lassen und in einem Mitwirkungsbericht veröffentlichen. Dieser soll im Frühling vorliegen.
Ein Impuls für die Entwicklung des Areals
Durch die Verschiebung des Bahnhofs Bruggen erhofft sich die Stadt gemäss Buschor einen «Impuls» für die weitere Entwicklung des Gebiets bis zum Lerchenfeld, wo sich der Innovationspark Ost und die EMPA befinden. Auf Nachfrage aus dem Publikum ergänzte Baudirektor Buschor: «Als der Bahnhof Bruggen erstellt wurde, war er genau am richtigen Standort für die Entwicklung des Quartiers. Jetzt sei es an der Zeit, ihn dorthin zu verschieben, wo die künftige Entwicklung stattfinden soll.»
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Der Perimeter des Zielgebiets für die Entwicklungsplanung.
Auch Matthias Loepfe von der Stadtplanung betonte, dass die Zusammenlegung der beiden Bahnhöfe das Standortpotenzial erhöhe. Parallel zur Planung des neuen Bahnhofs Bruggen arbeitet die Stadtplanung an einem sogenannten Zielbild für das umliegende Areal, das von der Fürstenlandstrasse bis zur Bernhardswiesstrasse reicht. Dieses soll aufzeigen, wo welche bauliche Entwicklung künftig möglich sein und angestrebt werden soll. Das Areal zwischen dem Lerchenfeld und dem Bahnhof Haggen ist gemäss Stadtraumkonzept, das der Stadtrat Anfang 2024 vorgestellt hat, eines von vier Entwicklungsgebieten in der Stadt St.Gallen, in denen 45 bis 85 Meter hohe Hochhäuser möglich sein sollen.
Passerelle als neues Quartierwahrzeichen
Herzstück des neuen Doppelbahnhofs ist die Passerelle mit einer Länge von 115 Metern und einer Aussichtsplattform am nördlichen Ende. Sie verbindet nicht nur die beiden Bahnhöfe, sondern schafft auch eine bequeme Fussverbindung zwischen den Quartieren Haggen und Bruggen. Das Siegerprojekt «Catwalk» von K&L Architekten aus St.Gallen ist architektonisch gelungen und durchaus imposant: Der nördliche Turm, der beim Feuerwehrdepot, hat eine Höhe von 31 Metern, der südliche an der Gröblistrasse ist rund 20 Meter hoch. Beide Türme haben Treppen und grosse Lifte mit direktem Zugang zu bzw. von allen Ebenen.
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Der nördliche Turm der Passerelle mit der Aussichtsplattform.
Eine Taktverdichtung sei am Bahnhof Bruggen infolge der Verschiebung nicht geplant, sagte Markus Schait vom Amt für öffentlichen Verkehr des Kantons St.Gallen. Durch die direkte Anbindung an den Bahnhof Bruggen erhält das Quartier allerdings insgesamt mehr Verbindungen zum St.Galler Hauptbahnhof. Und für die heute fehlende Verbindung für einen durchgehenden Viertelstundentakt am Bahnhof Haggen zeichnet sich laut Schait eine Lösung ab, die schon bald kommen könnte.
Auch Halte von Fernverkehrszügen wird es am Bahnhof Bruggen nicht geben. Dafür sind die Perrons mit einer Länge von jeweils 170 Metern schlicht zu kurz. Es gibt zwar die Option, sie dereinst auf 220 Meter zu verlängern, doch auch das würde nicht reichen. Sollte sich rund um den Doppelbahnhof aber wie erhofft ein neuer Stadtteil entwickeln, täten die Verantwortlichen bei der Stadt und beim Kanton jedoch gut daran, sich dafür einzusetzen, dass die wenigen Fernverkehrszüge in den Randstunden, die heute mit Thurbo-Kompositionen fahren und kurz genug wären, dereinst dort halten – etwa der vorletzte Zug aus Zürich, der um 0.55 Uhr in St.Gallen ankommt.
Mit drittem Gleis kompatibel
Der neue Bahnhof Bruggen wird so gebaut, dass Teile davon bei einem allfälligen Bau eines dritten Gleises nicht wieder abgebrochen werden müssten, sondern er um dieses ergänzt werden könnte – vermutlich beim südlichen Perron an der Gröblistrasse. Deshalb kommt auch der südliche Turm der Passerelle auf die andere Seite der Gröblistrasse. Doch das ist Zukunftsmusik, die frühestens im nächsten Ausbauschritt der SBB nach 2035 wieder geprüft wird.
An der Informationsveranstaltung zeigte sich auch, dass es noch viele Fragen gibt, die die Anwohner:innen bewegen. Was passiert mit dem alten Bahnhof Bruggen? (Antwort: Das denkmalgeschützte Bahnhofgebäude bleibt erhalten, ebenso die bestehende Passerelle, die «ertüchtigt» werden soll, der Rest der Bahnhofinfrastruktur wie Perrons etc. wird zurückgebaut.) Gibt es eine Taktverdichtung auf der VBSG-Linie 7? (Ist derzeit nicht vorgesehen.) Welche Pläne hat die Stadt für die weitere bauliche Entwicklung des Areals? Vertragen sich die Pendler:innenströme am neuen Doppelbahnhof mit den Autos und Lastwagen sowie den Velos an Gröblistrasse? Das Mitwirkungsverfahren bietet nun auch die Chance, Fragen und Unsicherheiten zu klären.
Alle Informationen zur Zusammenlegung der Bahnhöfe Bruggen und Haggen gibt es hier.