Mit Sturmmaske gegen Verhüllungsverbot
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Vor gut drei Wochen hat der St.Galler Kantonsrat ein Verhüllungsverbot beschlossen, namentlich SVP und CVP. Angesichts dessen, dass im Kanton St.Gallen bereits ein Vermummungsverbot existiert, ist klar, auf wen dieses neue Gesetz abzielt: muslimische Frauen, die Niqab oder Burka tragen. Der Text dazu liest sich freilich anders: Wer im öffentlichen Raum eine Gesichtsverhüllung trägt und dadurch «die öffentliche Sicherheit oder den religiösen oder gesellschaftlichen Frieden bedroht oder gefährdet», soll bestraft werden.
SP, Grüne, Grünliberale und FDP waren gegen das Verhüllungsverbot, konnten sich aber in der letzten Session nicht dazu durchringen, das Ratsreferendum zu ergreifen – 40 Stimmen hätte es dafür gebraucht. Das übernehmen nun die Jungparteien. Am Montagmorgen haben die Kantonalpräsidenten der Jungen GLP, der Juso und der Jungen Grünen – Andrin Monstein, Andri Bösch und Flurin Geschwend – über das Referendum informiert.
«Wieder einmal mehr befinden hauptsächlich alte Männer darüber, wie sich Frauen anzuziehen haben»
«Für uns ist klar, dass ein Verhüllungsverbot in einer liberalen Gesellschaft völlig fehl am Platz ist», sagt Bösch von der Juso vor den Medien. «Der Staat schränkt durch Bekleidungsvorschriften die Grundfreiheit der Bürgerinnen und Bürger ein.» Das Verbot ziele vor allem auf die Burka ab, was man zutiefst verurteile. Es sei patriarchalisch und richte sich gegen die Selbstbestimmung der Frau. «Wieder einmal mehr befinden hauptsächlich alte Männer darüber, wie sich Frauen anzuziehen haben.»
Das Gesetz helfe «keinen Pfifferling» gegen die Unterdrückung der Frau, wie es von Seiten der SVP immer wieder betont werde, kritisiert Bösch. Es sei bereits heute strafbar, jemanden zum Tragen einer Burka zu zwingen, dafür gebe es Anlaufstellen und Opferhilfe. «Und dass sich ausgerechnet die SVP, die sich bis vor wenigen Jahren dagegen aussprach, dass Vergewaltigung in der Ehe als Offizialdelikt gilt, als Kämpferin für Frauenrechte inszeniert, ist absurd und lächerlich.»
Mit dem Referendum wolle man auf keinen Fall Anhänger eines radikalen Islams unterstützen, betont Andrin Monstein von den jungen Grünliberalen. «Im Kanton St.Gallen ist oder war keine Burkaträgerin längerfristig wohnhaft. Das verabschiedete Gesetz reagiert also nicht auf ein existierendes Problem und ist somit komplett überflüssig.»
Den konservativen Ratskräften gehe es einzig um die Bewirtschaftung von Parteiinteressen und damit letztlich um Symbolpolitik, kritisiert Monstein. «Dies ist ein Missbrauch des gesetzgeberischen Prozesses und muss bekämpft und rückgängig gemacht werden.» Abgesehen davon, sei das Gesetz gar nicht umsetzbar: «Es ist für die Polizei nahezu unmöglich, im Einzelfall zu entscheiden, wann eine Verhüllung die ‹öffentliche Sicherheit, den religiösen oder gesellschaftliche Frieden› gefährdet – gilt das auch für das Maskottchen des FC St.Gallen?»
In diese Kerbe schlägt auch Flurin Gschwend von den Jungen Grünen. In Österreich, wo bereits ein Verhüllungsverbot gelte, sei ein Maskottchen eines Sportvereins bestraft worden, nach dem es im Kostüm aus dem Stadion gekommen sei. Das zeige, wie absurd ein solches Gesetz sei, sagt er und fragt: «Wenn wir im Winter mit dem Fahrrad unterwegs sind und zum Schutz vor der Kälte eine Sturmmaske tragen: Verstossen wir dann auch gegen das neue Gesetz?»
«Mehr als peinlich»: Referendum ohne die bürgerlichen Jungparteien
Ursprünglich sei ein breiteres Jungparteienbündnis geplant gewesen, doch die Junge CVP und die Jungfreisinnigen hätten es sich anders überlegt. «Die Junge CVP liess sich offensichtlich ins Bockshorn jagen und traut sich nun nicht mehr, ihrer Mutterpartei die Stirn zu bieten, während die Jungfreisinnigen auch nur untätig zuschauen, wie die Werte einer freien Gesellschaft frontal attackiert werden», erklärt Bösch und verleiht das Prädikat: «Mehr als peinlich!»
Die jungen Liberalen im Kanton setzen sich immerhin, anders als die junge CVP, ebenfalls gegen das Verbot ein. «Die Jungfreisinnigen unterstützen inhaltlich das Referendum gegen das Verhüllungsverbot», heisst es auf ihrer Website. «Bei der Unterschriftensammlung werden sie allerdings den eigenen Weg gehen. Dies sowohl aus organisatorischen, als auch strategischen Gründen.» Man sei überzeugt, dass die Jungfreisinnigen «auch ohne die enge Zusammenarbeit mit den anderen Jungparteien einen Beitrag zum Gelingen des Referendums leisten werden».
Damit das Referendum zustande kommt, braucht es bis am 29. Januar 4000 Unterschriften von Stimmberechtigten. Das Jungparteienbündnis hat sich das Ziel gesetzt, bis am 23. Dezember die Hälfte davon beisammen zu haben. Dann kommen erst einmal die Feiertage, viel wird sich in dieser Zeit wohl nicht tun. «Die Referendumsfrist wurde sozusagen verkürzt», merkt Bösch an und findet klare Worte dafür: «Es ist eine verdammte Sauerei, dass man über Weihnachten und Neujahr im Schneegestöber Stimmen sammeln muss.»
Unterstützt wird das Referendum bis jetzt von der Operation Libero und der Aktion Zunder. Die drei Mutterparteien halten sich im Moment noch zurück, haben aber ihre Unterstützung angekündigt. Die Präsidenten der Jungparteien rufen weiter «alle zukunftsorientierten Kräfte» auf, sich ihnen anzuschliessen. «Es kann nicht sein, dass man den Rechten die Themen und somit auch die Deutungshoheit überlässt», sagen sie. «In Anbetracht der politischen Ausgangslage in der gesamten Schweiz werden wir uns der ‹Burkadiskussion› ohnehin stellen müssen.»