Mit Greta und Arnold auf dem Wiener Heldenplatz
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Am Vorabend hatten meine R. und ich noch einen Nachtspaziergang über den Donaukanal gemacht und waren zufällig auf das Plakat gestossen: Greta Thunberg und Arnold Schwarzenegger treten auf dem symbolträchtigen Heldenplatz auf, an einem Anlass rund ums Klima. Morgen ab 17 Uhr. Da müssen wir hin!
Daheim im Hotel liefert das Internet weitere Informationen: Dieser «Climate Kirtag» ist eine Art Klima-Chilbi mit Musik, Reden, Essen und Trinken und gehört zur Klimakonferenz «R20 Austrian World Summit», die bereits zum dritten Mal veranstaltet wird. Der Kirtag selbst ist eine Premiere.
Am folgenden Tag richten wir uns entsprechend ein. Wir schauen, dass wir rechtzeitig vom Tierpark Schönbrunn wegkommen, obwohl wir gerne länger dort geblieben wären. Nur schon wegen den beiden grossen Pandabären, diesen ungemein herzigen Tieren, die wie Braunbären wirken, die seit 50 Jahren in einem Zen-buddhistischen Kloster leben. Man könnte ihnen stundenlang zuschauen, wie sie dasitzen und mit lässig-entspannten Bewegungen ihren Bambus knabbern.
Greta kann die Probleme nicht für uns lösen
Wir kommen gerade rechtzeitig auf dem Heldenplatz an und bereuen es nicht. Vom Anlass als Ganzem erhalten wir zwar nur einem beschränkten Eindruck, zumal wir uns eine Grossleinwand etwas abseits der Bühne auswählen, um alles in Ruhe miterleben zu können. Aber das macht nichts. Von Greta Thunberg und Arnold Schwarzenegger bekommen wir ausreichend mit. Und im Musikprogramm macht uns das Wiedersehen und Wiederhören mit Hubert von Goisern so oder so grosse Freude. Ein kraftvoller Folk-Rock, der auch leise und tiefgründig sein kann, geradezu spirituell: «Heast as net, Wia die Zeit vergeht?»
Was haben Greta Thunberg und Arnold Schwarzenegger zu erzählen? Es ist mehr oder weniger das, was man von ihnen weiss und erwarten kann. Und doch überzeugen uns beide. Sie reden gut, engagiert und gekonnt. Gelegentlich habe ich allerdings den Eindruck, dass es etwas zu routiniert ist, zu viel durchsichtige Motivations-Rhetorik.
Die junge Schwedin hat auch hier auf dem Heldenplatz ihre ganz spezielle Präsenz. Mir gehen die vertrauten Assoziationen durch den Kopf: Eine Ausserirdische, die uns Menschen die ökologischen Leviten liest. Ein Baumgeist, der sich als Mensch verkleidet hat und uns alle Schande sagt. Ich meine das überhaupt nicht despektierlich. Greta Thunberg ist mit ihren besonderen Voraussetzungen in eine ganz bestimmte, anspruchsvolle Rolle geraten, und sie füllt diese Rolle gut aus. Die Frage ist allerdings, was diese junge Frau in zehn Jahren machen wird. Da kann man sehr gespannt sein.
Mit der Verehrung, die sie zurzeit erfährt, habe ich trotzdem eine gewisse Mühe. «Greta ist eine tolle Person und führt ein ökologisch vorbildliches Leben», sagen viele Leute. Eigentlich spielt das überhaupt keine Rolle. Letztlich ist doch entscheidend, was wir alle zur Lösung dieser ökologischen Herausforderungen beitragen – jeder von uns. Greta Thunberg kann diese Probleme nicht für uns lösen.
Und damit bin ich bei einem Wort, das während der ganzen Veranstaltungen in der Luft liegt, zumindest für mich: «Held». Diese «Klima-Chilbi» findet auf dem Wiener Heldenplatz statt. Im Hintergrund sieht man – mitten auf dem Platz – zwei pompöse Ritterstandbilder mit irgendwelchen längst verstorbenen, längst vergessenen Kriegshelden. Heute, im 21. Jahrhundert, braucht es doch ganz andere Helden – und Heldinnen. Vor allem im konkreten Alltag. Heldinnen und Helden, die gleich die ganze Welt retten wollen, erreichen in der Regel wenig. In den Reden wird diese Verbindung von Platz und Thema nicht aufgegriffen, soweit ich das mitbekomme. Das ist schade.
Es braucht eine Reformation
An den «Helden und die Heldin in uns» wird in den Reden allerdings appelliert, vor allem von Arnold Schwarzenegger und Ski-Star Aksel Lund Svindal. Sie betonen beide, dass es für das ökologische Engagement Beharrlichkeit und Ausdauer braucht, Kreativität und Teamwork, Mut und Selbstbewusstsein.
Schwarzenegger bringt als Vergleich den Siegeszug des Bodybuilding. Vor 40, 50 Jahren hätten viele darüber gespottet. «Bodybuilding macht dumm, narzistisch oder gar schwul», hiess es. Er habe sich davon nicht beirren lassen und weiter dafür geworben. Heute sei Bodybuilding weltweit anerkannt und geschätzt. Mit dem Kampf gegen den Klimawandel werde es ähnlich sein, erklärte er auf lässig-sympathische Art – und auf Amerikanisch. Sein Deutsch ist nach all den Jahren in den USA so eingerostet, dass es nur noch für die Begrüssung reichte.
Als Historiker fühle ich mich an die Reformation erinnert: Dass mit der Kirche in Rom allerlei nicht in Ordnung war, spürten viele seit Jahrzehnte. Für eine eigentliche «Reformation» stimmte aber die historische Gesamtkonstellation nicht: politisch, kulturell, wirtschaftlich, technisch, geistig. Die richtige Gesamtkonstellation stellte sich erst in der zweiten Hälfte der 1510er-Jahre ein. Erst da kamen die Dinge wirklich in Bewegung. Und so hatten viele, viele engagierte Menschen einfach die Aufgabe, VorkämpferInnen der Reformation zu sein, ohne die Reformation selber zu erleben. Eine Aufgabe, die ebenso undankbar wie wichtig ist. Mit der ökologischen «Reformation» dürfte es ähnlich sein.
Teilgenommen haben an dieser Klima-Chilbi auf dem Wiener Heldenplatz trotz des schlechten Wetters rund 5000 Menschen, lesen wir später im Internet. Das beeindruckt uns. Noch beeindruckender finden wir allerdings das Gefühl, hier am «Puls einer globalen Bewegung» gewesen zu sein. Einen Stand von Greenpeace in der St.Galler Innenstadt erlebt man anders. Da ist dieses globale Moment nicht so unmittelbar spürbar und erlebbar.