Mit der Freiheit klarkommen

Die Idee des «Tisches hinter den Gleisen» ist verlockend, herrlich «anarcho-demokratisch» irgendwie: Alle sind eingeladen, alle dürfen mitreden, alle sollen ihre Ideen zum weiteren Vorgehen im Quartier zwischen Fachhochschule und Lokremise hinter dem St.Galler Bahnhof einbringen.
Vor zwei Wochen hat das gar nicht so schlecht geklappt. Etwa 50 Leute trafen sich bei Tapas und Meeresfrüchten im ersten Stock des Hogar Español, um ihre Ideen auszutauschen, sich kennenzulernen, Wünsche anzubringen, Visionen zu entwickeln. Wer will, kann sich hier oder hier informieren.
Gestern, am zweiten Tisch hinter den Gleisen, hat dann die Realität zugeschlagen. Nur ein bisschen. Ganz sanft. Anders als am ersten Abend waren die Anwesenden – gut 30 Personen, darunter auch neue Gesichter – dieses Mal auf fünf grosse Tische verteilt und sollten sich über je einen der folgenden fünf Begriffe Gedanken machen: Öffentlichkeit, Organisationsform, Haltung, Anspruchsgruppen und weiteres Vorgehen.
Aus der kurzen Instruktion wurde allerdings schnell eine ganze Diskussion, denn einigen war das Konzept «hinter den Gleisen» dann doch etwa zu schwammig und offen. So wurde beispielsweise bemängelt, dass der Anlass – trotz medialer Berichterstattung – keiner breiten Öffentlichkeit zugänglich sei. Und dass es nach wie vor unklar sei, wer hinter dem Projekt stecke und was es genau bezwecke. Oder dass bis jetzt noch keine konkreten Pläne oder Ideen vorlägen.
Tja. So verständlich diese Kritik auch sein mag, so eindrücklich war es zu sehen, wie gewöhnungsbedürftig es für manche offenbar ist, zur Abwechslung mal einen Abend ganz ohne Vorgaben, Ansprechpersonen, Konzepte, Protokolle, Experten oder Ziele zu verbringen – Zeit in etwas zu stecken, ohne dass ein konkreter Nutzen daraus hervorgeht.
«Eine Konkretisierung und Verdichtung ist nach diesem bewusst offenen Einstieg durchaus angedacht», verteidigen sich die Organisatoren. Man wolle beispielsweise demnächst mit Inputs von Fachpersonen konkrete Ergebinisse erarbeiten. Trotzdem: Das Konzept sei gerade aufgrund seiner Offenheit und vielfältigen Partizipationsmöglichkeiten attraktiv, da «hinter den Gleisen», also abseits von Realpolitik und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, ein Raum für Utopien geschaffen werden könnte.
Hoffentlich scheitert das Projekt nicht an seiner eigenen Dynamik.
Der nächste Tisch hinter den Gleisen findet am Mittwoch, 11. Februar statt.
Infos und Stand der Dinge: tischhinterdengleisen.wordpress.com.