Mit dem Finger durch den Klosterbezirk

Das Modell an der Ecke zum Zeughausflügel auf dem Klosterplatz wird die Kinder freuen: Man kann mit dem Finger in Windeseile durch den ganzen Klosterbezirk sausen. Das dient auch Sehbehinderten – nicht nur die Gebäude sind dreidimensional, sondern auch die Beschriftungen als Relief erhöht und mit Braille-Blindenschrift ergänzt. Der Klosterbezirk ist damit ein Stück barrierefreier geworden.
Das neue touristische «Highlight», wie Thomas Franck, Präsident des Vereins Weltkulturerbe Stiftsbezirk St.Gallen es nennt, freut bei der Enthüllung des Modells am Montagmittag aber auch die vielen am Werk Beteiligten. Bischof Markus Büchel betastet «sein» Kloster ebenso wie die zahlreich anwesenden Regierungs- und Stadträte, Vertreterinnen und Vertreter des Kantons, des Katholischen Konfessionsteils, der Stadt und des Tourismus.

Die ersten Bewunderer, u.a. Bischof Markus Büchel (2. von rechts) und Stadtpräsident Thomas Scheitlin (2. von links).
Rund 100 Personen sind zur Einweihung im Musiksaal des Klosters zusammenkommen, eingeladen vom Verein Weltkulturerbe Stiftsbezirk St.Gallen. Und mit den meisten habe sie im Lauf des zweijährigen Planungsprozesses zu tun gehabt, sagt Grafikerin Angela Kuratli, die zusammen mit Johannes Stieger die neue Signaletik entwickelt und gestaltet hat.
Viele Köche… doch am Ende des offenbar komplizierten und bürokratie-intensiven Prozesses wirken die neuen Tafeln wie aus einem Guss. Zurückhaltend und doch informativ sollten sie sein, sagt die Grafikerin, einheitlich und doch angepasst an die unterschiedlichen Ansprüche der Institutionen, zeitlos, hochwertig und tauglich für ein internationales Publikum.
Die Tafeln sind aus Messing – ein offenporiges, natürliches und lebendiges Material, das auch Patina ansetzen darf, sei den Gestaltern ein Anliegen gewesen, sagt Johannes Stieger. Die Wegweiser können ausserdem verändert und ersetzt werden: Der Klosterbezirk soll sich wandeln können.
An der Herstellung der neuen Signaletik beteiligt waren neben Kuratli und Stieger Modellbauerin Beatrice Brocker, die Kunstgiesserei St.Gallen, Metallbauer Tobias Lenggenhager und Brander Siebdruck sowie Sigrist Gravuren, Bruderer Bau AG und für die Demontage Roland Rüegg. Rücksichten gab es dabei auf alle Seiten zu nehmen, selbst nach unten: Aus archäologischen Gründen wurden für die Wegweiser Fundamente gegraben, die in die Breite statt in die Tiefe gehen.
Das Label «zieht»
Die Signaletik ist, wie Vereinspräsident Thomas Franck vom Katholischen Konfessionsteil einleitend erläutert, zusammen mit 36 anderen Massnahmen eine Folge des Managementplans des Stiftsbezirks, wie ihn die Unesco für ihre Welterbestätten verlangt. Eine im Auftrag des Vereins Weltkulturerbe erstellte Studie der Universität St.Gallen zeigt jetzt, dass rund ein Fünftel des Kloster-Tourismus ausdrücklich dem Unesco-Label zu verdanken ist.
Weitere Erkenntnisse: 60 Prozent der Besucherinnen und Besucher kommen nicht aus der Schweiz, rund 10 Prozent aus Asien. Die Mehrzahl sind Tagestouristen, die im Schnitt unter 50 Franken ausgeben und weniger als eine Stunde im Stiftsbezirk verbringen, wobei vier von fünf die Stiftsbibliothek sehen wollen. Die Minderheit der Übernachtungsgäste lässt sich den St.Gallen-Aufenthalt rund 200 Franken kosten.
Die Studie, sagt ihr Leiter Daniel Zwicker-Schwarm am Montag bei der Einweihungsfeier für die neue Signaletik, werde jetzt noch verfeinert und definitiv ausgewertet. Sein provisorisches Fazit: Der St.Galler Klostertourismus bringe direkte Kaufkrafteffekte von rund 16,5 Millionen und zusätzliche regionale Wertschöpfung von rund 13 Millionen Franken jährlich. Es zeige sich, dass das Unesco-Label eine grosse Rolle spiele als «Imageträger» für St.Gallen und die ganze Bodensee-Region. Und dass vor allem die Gastronomie stark vom Klostertourismus profitiere.
Nächster Schritt: der Klosterplan live
Verbesserungen wünschten sich die befragten Gäste unter anderem in Sachen Information und Ausstellungen. Das erste Anliegen ist seit diesem Montag erfüllt mit den neuen Tafeln und dem Modell der Klosteranlage in Bronze. Das zweite kommt nächsten Frühling zu seinem Recht: Dann werden die neuen Ausstellungsräume im Gewölbekeller (im Januar) und im Zeughausflügel (im April) eingeweiht werden. Dort wird unter anderem der St.Galler Klosterplan ausgestellt sein, interaktiv – wie sich dies heutige Besucherinnen und Besucher wünschen, wie die HSG-Studie ebenfalls herausgefunden hat.
Neue Signaletik und neue Ausstellungen: Regierungsrat und Kulturdirektor Martin Klöti sieht darin mehr als äussere Verbesserungen. Vielmehr seien sich Staat und Kirche dank dieser gemeinsamen Aktivitäten so nahe gekommen wie nie in den 200 Jahren seit der Aufhebung des Klosters.