«Mir ist nicht nach Strahlen zumute»

Er hat sich gemeldet: Der ausgerissene Stern der St.Galler Weihnachtsbeleuchtung ist immer noch unterwegs, und zwar in politischer Mission. Seine Botschaft könnte in diesen Wochen nicht aktueller sein.
Von  Andi Giger
Der Stern scheint wieder in der Stadt zu sein... Bleibt er auch? (Bild: pd)

Neulich lagen zwei Postkarten im Saiten-Briefkasten, eine aus Bern und eine aus Solothurn: Geschickt hat sie der vermisste Stern der St.Galler Weihnachtsbeleuchtung «Aller Stern». Er ist wohl immer noch unterwegs.

Seit Donnerstagmorgen ist klar, was es mit dem verschwundenen Stern auf sich hat. In einer Nachricht an die Medien schreibt er: «Ich bin gerade auf Reisen. Nach 14 Wintern, in denen ich für euch geleuchtet hab, brauchte ich mal dringend eine Auszeit. Mir ist nämlich nicht mehr nach Strahlen zumute.»

Er habe in den letzten Jahren einiges gesehen, dass ihm schwer auf dem Magen liege: Menschen, die an den Türen des Kantonsspitals abgewiesen werden oder Familien, denen es nicht möglich sei, eine Wohnung zu mieten. «Mein Name ist zwar ‹Aller Stern›, aber ich habe gemerkt, dass in dieser Stadt nicht alle gleich behandelt werden.»

Solidarität für alle

Die Rede ist von Sans Papiers, denen nach wie vor Menschenrechte verwehrt bleiben: Bildung, Gesundheit, ein Dach über dem Kopf. Der Stern schreibt: «Ich wünsche mir eine Stadt, in der wir teilen, solidarisch sind und ein Miteinander leben. Ich wünsche mir ein St.Gallen für Alle.»

In der kalten Jahreszeit wäre dieses Versprechen (Sankt Alle) umso wichtiger. Und gerade in der Adventszeit werden Solidarität und Zusammenhalt gerne hochgehalten. «Unterstützt Betroffene mit ehrenamtlicher Arbeit, oder setzt euch politisch für die Einführung einer CityCard ein. Und spendet an Organisationen, die sich für die Rechte von Sans-Papiers starkmachen, Sprachkurse anbieten und sie in ihrem Alltag unterstützen», fordert der Stern.

Die Lage ist nun klar: Ein Stern ist weg, er tourt durch die Schweiz. Und tatsächlich hat es bei der Multergasse 7 ein Loch. Es fehlt nämlich auch der Stern 028. Die St.Galler Stadtwerke, die für die Montage zuständig sind, sagen: Es könne nicht von einer festen oder vollzähligen Anzahl Sterne gesprochen werden. Entscheidend sei, dass es ein stimmungsvolles Gesamtbild gebe.

Stadtwerke vermissen keinen Stern

Wie viele Sterne es insgesamt denn sein sollten, können die Stadtwerke nicht genau beziffern. Die Medienstelle schreibt auf Anfrage: «Die Anzahl der aufgehängten Sterne variiert je nach den Gegebenheiten vor Ort und wird situationsbedingt festgelegt.» Seit der Inbetriebnahme seien immer wieder einzelne Komponenten der Sterne ausgefallen. Da es sich um Sonderanfertigungen handle, konnten diese nicht immer durch neue ersetzt werden.

«Rund 670 Sterne» seien es dieses Jahr. Und das passt irgendwie auch zum Umgang mit Sans Papiers: Wie viele es davon gibt, weiss ja auch niemand so genau, da die Dunkelziffer sehr hoch ist. Und wenn ein Stern fehlt, fällt es deswegen auch nicht auf.

Der Stern 027 schreibt in seiner Mitteilung nicht, wo er sich gerade befindet, gibt aber einen Tipp: «Auch ich verbringe Weihnachten gerne zuhause.» Dieses Bild hat er mitgeliefert: