Michelle Steinbeck & Co.

St.Gallen bekommt eine neue Veranstaltungsreihe: die Tage für improvisierte Musik und Poesie. Vier Anlässe sind im November geplant, unter anderem mit der jungen Michelle Steinbeck, über die Kritikerin Elke Heidenreich sagte: «Wenn das die junge Generation ist, dann Gnade uns Gott».
Von  Peter Surber
Michelle Steinbeck (Bild: Dirk Skiba)

Manchmal reichen ihr ein paar wenige Worte, um die Sache auf den Punkt zu bringen. Zum Beispiel so:

to do

yoga
spazieren
aufräumen
tagesbericht
gedichte schreiben
gedichtband absagen

Das Vorletzte hat Michelle Steinbeck gemacht, das Letzte zum Glück nicht. 2018 hat sie das Buch Eingesperrte Vögel singen mehr (im Verlag Voland & Quist) herausgebracht, in dem sich das obige Gedicht findet. Unvermeidlich zitiert wird, wenn von diesem Buch die Rede ist, auch der Kommentar von Elke Heidenreich, den der Verlag gleich mit auf die Rückseite gedruckt hat: «Wenn das die neue Generation ist, dann Gnade uns Gott.»

L111 – Literatur im Theater 111, St.Gallen

10. November, 11 Uhr: Wolfgang Herrmann
17. November, 11 Uhr: Michelle Steinbeck
21. November, 20 Uhr: Ariane von Graffenried
24. November, 11 Uhr: Thilo Krause

l111.ch

Vermutlich hat sie es positiv gemeint. Steinbeck, Jahrgang 1990, verkörpert die neue Generation ideal: Sie packt Alltagsthemen in eine rasante, bildstarke, manchmal rotzige, immer souverän gehandhabte Sprache. Auf die Bemerkung, ihre Gedichte böten kein Absinken in Gefühlswelten, griffen aber manchmal mit Absicht in Peinlichkeiten, hat die Autorin in einem Gespräch auf dem Blog literaturblatt.ch gesagt: «Ich bin ein Stadtkind. Aber Gefühle sind doch jede Menge drin! Und auch ein paar Bäume. Und Peinlichkeiten… Ja? Gut! Mein alter Freund Michael Fehr hat mir mal doziert, ich solle in der Lyrik dahin, wo es wehtut. Wo es unangenehm wird. Das fand ich einen guten Rat.»

Unüberhörbar neben den teils harten Themen ist auch Steinbecks Musikalität. Das kommt dem Projekt zugute, mit dem die Autorin im November in St.Gallen zu erleben sein wird: den Internationalen Tagen für improvisierte Musik und Poesie. Initiant ist der Thurgauer Literaturvermittler Gallus Frei-Tomic. Nach ermutigenden Erfahrungen mit einer ersten musikalisch untermalten Lesereihe «wagen wir uns tapfer in eine nächste Runde», schrieb Frei-Tomic im Oktoberheft von Saiten. Und setzt diesmal ganz auf Lyrik. Neben Michelle Steinbeck kommen Wolfgang Hermann aus Wien, Ariane von Graffenried aus Bern und Thilo Krause aus Zürich ins St.Galler Theater 111. Begleitet werden sie wiederum vom Duo Stories mit Christian Berger (Gitarre, Oud) und Dominic Doppler (Schlagzeug).

Wie sie Gedichte schreibt, erklärt Steinbeck im übrigen im Buch gleich selber: «ich sehe nur mich selbst / meinen kopf von innen der rest ausgeblendet was / will ich eure fressen sehen und eure bäume / und strassen interessieren mich auch / nicht high five…». Fortsetzung am 17. November um 11 im 111.