Mensch, Maschine, Musik

Am Freitag Abend improvisierte und lärmte der Schweizer Elektronik-Pionier Bruno Spoerri mit dem Jazz- und Pop-Schlagzeuger Julian Sartorius in der Grabenhalle. von David Nägeli
Von  Gastbeitrag
Spoerri in Aktion (Bild: David Nägeli)

Die Basler Computerjazz-Legende Bruno Spoerri und der junge, vielgefragte Drummer Julian Sartorius: Zwei Musiker, die beide für Klangbasteleien und neue Sounds bekannt sind, demonstrierten in der Grabenhalle, wie man musikalisch mit dem Computer sprechen kann. Und welche Klänge entstehen können, wenn man sein Drumset während des Konzertes auseinanderbaut.

Bits und Beats

In jungen Jahren stand Spoerri noch häufiger mit Big Bands auf der Bühne. Heute hat er die Band in den Laptop verlegt, den Taktstock hat er durch Handschuhe und ein Tablet ersetzt. Mit verschmitztem Grinsen dirigiert er vor der Laptop-Kamera ein digitales Orchester, welches mal nach Techno-Musik, mal nach kaputten Computerchips klingt.

Hin und wieder spielt der renommierte Jazzer auch etwas klassischer: Aber auch das Saxophon fliesst noch durch das kleine Kabelwirrwar rund um Spoerris Laptop und wird verhallt, geloopt, geschnitten. Bereits seit den 80ern spielt Spoerri mit den digitalen Hilfsmitteln. «Computer-Assisted Jazz», nennt er das.

Mit Alben wie Voice Of Taurus (1978) hat Bruno Spoerri die Geschichte der elektronischen Musik in der Schweiz mitgeschrieben.

Die weissen Handschuhe, mit welchen Spoerri sein unsichtbares Computerorchester dirigiert, sind ein Markenzeichen des Computerjazzers geworden. Die dazugehörige Technik stammt aus den Fingern des kanadischen Installationskünstlers David Rokeby. Dessen «Very Nervous System» wandelt Bewegungen in Sounds und Steuerbefehle für Synthesizer um: Spoerri wedelt mit den Fingern und der Computer antwortet mit Klangflächen.

Natürlich kann man so nicht hochpräzise arbeiten. Doch genau diese Unschärfe verleiht dem Dialog mit dem Computer etwas Menschlichkeit.

Mit der Maschine musizieren

Das «Very Nervous System» und Spoerris Adaption davon sollen die allzu menschlichen Bewegungen und Reaktionen für den Computer in die Sprache der Logik übersetzen. In den 80ern, als das System entstand, war dieser organische Dialog schon beeindruckend, und auch heute hat die Methode wenig von ihrer Wirkung verloren.

Obwohl moderne Fernsehgeräte nach einem umständlichen Winken den Kanal wechseln und das Handy mit uns spricht, fasziniert ein so natürlich wirkendes Musizieren von Mensch und Maschine – gerade wenn man sich an den Anblick von DJs gewöhnt ist, die gebückt auf kleine Tasten hauen.

Spoerri legt Wert auf darauf, dass er mit dem Computer spielen kann, ohne die reine On-Off-Sprache der Logik benutzen zu müssen, welche sich in viele moderne elektronische Musik eingeschlichen hat.

Intim mit den Instrumentenbastlern

Sartorius, Drummer, Instrumentensammler und Klangbastler, geht mit seinem Schlagzeug ebenfalls nicht gerade konservativ um: Das Becken wird abmontiert und auf die Snare gelegt, Tücher und kleine Perkussionsinstrumente wandern auf den restlichen Trommeln umher.

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Zerlegt auch Mal Drums: Sartorius

Neben Spoerri begleitet Sartorius auch Sophie Hunger oder den britischen Pop-Künstler Merz auf Tour. In der Grabenhalle widmet er sich dem Experimentellen: Frage-Antwort-Spielen mit den Drum-Loops ab Band, viele Taktwechsel, wenig durchgehende Beats.

Die Musik des Duos ist schlussendlich vor allem spannend: Die Vertracktheit der Drums, der clevere Einbau der Technik, die starken Saxophon-Soli. Trotz der Aufmerksamkeit, die Spoerri letztes Jahr durch den Sample-Streit mit Jay-Z, die Zürcher Ehrenmedaille und die Nomination für den Schweizer Musikpreis zufloss, ist die Grabenhalle nicht gut besucht. In der intimen Atmosphäre kann man den beiden Musikern beim Experimentieren dafür etwas genauer auf die Hände sehen. Und das lohnt sich auch.

Denn was Sartorius mit seinem Drumset anstellt, sieht man nur selten. Und Spoerris Umgang mit dem Computer als Musikinstrument wirkt lebendiger als derjenige der 60 Jahre jüngeren Digital Natives, die mit einem Computer auf der Bühne viel zu häufig nur an LED-beleuchteten Reglern drehen. Der 80-Jährige Elektropionier hat auch heute noch den einen oder anderen frischen Trick im Ärmel, den sich junge Musiker von ihm abschauen können. Und das ist nach Dutzenden Jahren Musikschaffen keine Selbstverständlichkeit.