Meistens möglichst gross

Länger, schwerer, breiter – die Vehikel des motorisierten Individualverkehrs nehmen immer absurdere Dimensionen an. Zumal meist nur eine Person im Wagen sitzt. Darüber kann man sich aufregen oder die Kunsthalle Arbon besuchen: Dort findet das Künstlerkollektiv GAFFA treffende Bilder für die Auswüchse der Autolust.

GAFFA: Delphin (Bild: pd)

Ein Au­to ist ein Au­to ist ein Au­to ist ein Trans­port­mit­tel. Ein Sta­tus­sym­bol. Ein Spass­fak­tor. Ein Pres­ti­ge­ob­jekt. Ein Är­ger­nis. Ein Platz­ver­schwen­der. Au­tos po­la­ri­sie­ren. Aber die Fas­zi­na­ti­on Au­to ist un­ge­bro­chen. Zwar gibt es mehr und mehr Men­schen, die oh­ne ei­ge­nes Mo­tor­fahr­zeug un­ter­wegs sind, aber wer sich ei­nes leis­tet, möch­te es meis­tens mög­lichst gross. Die Sta­tis­ti­ken spre­chen für sich. Die Au­tos wer­den län­ger und brei­ter. Die frü­her üb­li­chen Ab­mes­sun­gen der Park­fel­der rei­chen längst nicht mehr aus, wenn der als Ge­län­de­fahr­zeug aus­ge­leg­te Per­so­nen­kraft­wa­gen in der Stadt par­kiert wird.

Oder gar die Li­mou­si­ne. Min­des­tens vier Park­fel­der be­nö­tigt das ak­tu­el­le Mo­dell aus dem Hau­se GAF­FA. Zum Glück ist die Kunst­hal­le Ar­bon aus­rei­chend gross. Dort steht das Pracht­stück nun. Ganz in weiss. Mit ra­ben­schwar­zen Schei­ben. Pri­va­cy ist al­so ga­ran­tiert. Nicht nur für die Fahr­gäs­te, son­dern rund­um – auch für die Per­son hin­ter dem Lenk­rad. Wenn es da über­haupt ei­ne gibt, das lässt sich nicht her­aus­fin­den, weil al­les blick­dicht ist.

Ein Zi­ne in 3D

Es ist auch ganz egal, ob sich die Li­mou­si­ne len­ken lässt. Hin­aus aus der Kunst­hal­le kä­me sie oh­ne­hin nicht, da­für wä­re sie zu gross. Fah­ren lässt sie sich auch nicht, denn ab­ge­se­hen von den ech­ten Rä­dern er­in­nert sie nur der Form nach an ein Au­to. Sie braucht kei­nen Mo­tor und kei­nen Lack, kein Me­tall und kei­ne Blin­ker – sie ist ei­ne form­ge­wor­de­ne Ab­sur­di­tät vol­ler treff­si­che­rer An­spie­lun­gen. Da­mit ent­spricht sie ganz der künst­le­ri­schen Hand­schrift von GAF­FA. Das Kol­lek­tiv, be­stehend aus Li­nus Lutz, Da­rio For­lin, Wan­ja Harb und Lu­ci­an Kunz, gibt seit vie­len Jah­ren Zi­nes her­aus, 93 The­men­hef­te lis­tet die GAF­FA-Web­site in­zwi­schen auf. In je­der ein­zel­nen Aus­ga­be spie­len sich die Vier die un­ter­schied­lichs­ten The­men zu: von Tram­po­lin bis Leim, von Del­fin bis FDP – Heft 1 war dem Lam­bor­ghi­ni ge­wid­met.

Al­les wird durch die künst­le­ri­sche Man­gel ge­dreht, über­formt und ver­frem­det, mit frei as­so­zi­ier­ten Zu­ta­ten an­ge­rei­chert und zu ei­nem neu­en Gan­zen ge­fügt. Die­se kol­la­bo­ra­ti­ve Ar­beits­wei­se hat in der Kunst­hal­le Ar­bon zu neu­er Form ge­fun­den. Was sonst aus Pa­pier und ge­hef­tet da­her­kommt, ent­fal­tet sich nun drei­di­men­sio­nal in der ehe­ma­li­gen La­ger­hal­le ei­ner Me­tall­fa­brik.

Be­zie­hungs­rei­che Ein­zel­ob­jek­te

GAF­FAs The­ma ist dies­mal der mo­to­ri­sier­te In­di­vi­du­al­ver­kehr. An­lass da­für bo­ten nicht zu­letzt der Asphalt­bo­den der Hal­le und die von der frü­he­ren Nut­zung üb­rig ge­blie­be­nen Bo­den­mar­kie­run­gen. Bei­des lädt ein, ei­ne In­door­au­to­welt zu in­stal­lie­ren – es wä­re nicht das ers­te Mal, dass ech­te Au­tos oder rea­li­täts­ge­treue Bo­den­mar­kie­run­gen in der Kunst­hal­le Ar­bon lan­den. Aber GAF­FA ver­liert sich nicht dar­in, ei­ne de­tail­ge­treue Ver­si­on ty­pi­scher Ver­kehrs­in­fra­struk­tur nach­zu­bau­en, son­dern legt der Aus­stel­lung «Le­vel Up» ei­ne an­de­re künst­le­ri­sche Idee zu­grun­de. Das Kol­lek­tiv hat ein Farb- und Ma­te­ri­al­kon­zept er­ar­bei­tet und un­ter­wan­dert da­mit ge­zielt das Ge­wohn­te: Ein Ver­kehrs­schild ist ein Öl­ge­mäl­de. Ein Park­ti­cket ist ei­ne Wohn­tex­ti­lie. Ein Ver­kehrs­py­lon ist ein Mo­nu­ment. Aus blau wird gelb, aus klein wird gross und das Park­leit­sys­tem wird zur Event­be­leuch­tung.

GAF­FA ar­bei­tet sich mit «Le­vel Up» in neue Be­rei­che vor. Wäh­rend das Kol­lek­tiv in bis­he­ri­gen Aus­stel­lun­gen kom­ple­xe Sze­ne­rien ent­wor­fen hat, wie bei­spiels­wei­se ei­ne Amts­stu­be für die Do­ku­sta­ti­on des Heim­spiels 2018, ein Rei­se­bü­ro im Raum für Il­lus­tra­ti­on in Ham­burg oder ein Thu­ja­la­by­rinth im Zeug­haus Teu­fen, tre­ten die Ob­jek­te in Ar­bon als In­di­vi­du­en auf. Sie be­zie­hen sich al­le auf Ge­gen­stän­de aus dem Stras­sen­ver­kehr, wi­der­spre­chen ein­an­der aber ge­zielt in ih­rer Grös­se, Ge­stalt und Ma­te­ri­al­wahl. Aus die­ser He­te­ro­ge­ni­tät ent­steht ein neu­es Gan­zes vol­ler Witz, Hin­ter­sinn und Ak­tua­li­tät.

 

GAF­FA – «Le­vel Up»: 30. März bis 11. Mai, Kunst­hal­le Ar­bon. Ver­nis­sa­ge: 29. März, 17 Uhr.

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