Max Dudler erklärt Bibliotheken
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Die St.Galler Publikumsbibliothek ist bekanntlich nur provisorisch in der Hauptpost untergebracht. Kanton und Stadt wünschen sich einen Umzug ins Zentrum, ins Union-Gebäude. Wie es um diese Pläne und den Zeitplan steht, fragt neustens auch eine parteiübergreifende Interpellation im Stadtparlament, unterschrieben von beinah dem vollständigen Rat. Der Planungswettbewerb für einen Um- oder Neubau wird aber frühestens gegen Ende 2019 starten.
Genug Zeit also, sich mit der Bibliothek der Zukunft zu befassen. Der Verein Pro Stadtbibliothek lädt deshalb im März, April und Mai zu einer dreiteiligen Vortragsreihe ein und stellt die Frage: «Welche Bibliothek wollen wir?»
Welche Bibliothek wollen wir?
22. März mit Max Dudler:
Beispiele von vorbildlichen Bibliotheksbauten
5. April mit Mathilde Servet:
Bibliotheken als Begegnungszonen
10. Mai mit Pius Knüsel:
Bibliotheken ohne Bücher, Bücher ohne Papier
Jeweils um 19 Uhr im Raum für Literatur in der Hauptpost St.Gallen
Als erster Referent berichtet Architekt Max Dudler über «vorbildliche Bibliotheksbauten». Dabei kann er aus den Vollen schöpfen, hat er mit seinem international tätigen Büro doch schon über ein Dutzend Bibliotheken entworfen. Zu den jüngsten gehört das Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität Berlin mit der grössten Freihandbibliothek Deutschlands. Von treppenartigen Terrassen des zentralen Lesesaals aus – er erinnert an den Raum einer Kathedrale – sind 2,5 Millionen Medien zu erreichen. Im humboldtschen Sinne werden in der Bibliothek Wissensgebiete zusammengeführt und die Besucher so angeregt, Neues zu entdecken. Dudler will auch am zentralen Lesesaal und seiner architektonischen Überhöhung festhalten. Bibliotheken sollen nicht aussehen wie Einkaufzentren.
In der Stadtbibliothek von Heidenheim, einem anderen Neubau des Büros von Max Dudler, gibt es neben den Büchern auch ein Café mit Balkonen, auf denen man sitzen und lesen kann, mit einem Platz, wo alle rumhängen können. Die Menschen strömen hin, die Identität der ganzen Stadt habe sich so verändert, stellte der Architekt im letzten Sommer in einem Interview in der «NZZ am Sonntag» fest. Die Bibliothek sei eben ein echtes öffentliches Gebäude.
Max Dudler hat eine persönliche Beziehung zum Buch. Schon als Jugendlicher in Altenrhein, wo er aufwuchs, habe ihn Buchkultur fasziniert: «Buchkultur, das war für mich die grosse Stadt. Vor allem Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre in Paris hatten immer ein Buch unterm Arm. Das war für mich ein Lockruf. Ich war vielleicht 13, 14 Jahre alt und wollte weg aus der Ostschweiz, in die Grossstadt.» So schilderte er seine Erinnerungen dem Kulturjournalisten Gerhard Mack im erwähnten Interview.
Eine Bibliothek ist für Dudler ein Ort, an dem die Stadt weiter gebaut wird: «Sie können dort Menschen treffen, einfach so sitzen oder auch ruhig arbeiten, sie können einen Kaffee trinken gehen, jemanden kennenlernen.» Auch das Erotische spiele eine Rolle, gilt doch das Berliner Grimm-Zentrum als grosser Kontakthof.
Im Rahmen der «Rorschacher [Stein] Fachgespräche» des Steinbruchunternehmens Bärlocher stellte Max Dudler vor ein paar Jahren auch «eine typologische Ähnlichkeit in der Beziehung zwischen Buchstabe und Zeile, zwischen Buch und Regal und nicht zuletzt zwischen Regal und Haus» fest.
Dieser Beitrag erschien im Märzheft von Saiten.