Marktplatz: Beton statt Einsicht
Der Stadtrat schiebt die Neugestaltung des Marktplatzes auf die lange Bank. Zuerst soll ein partizipatives Verfahren die Anforderungen klären. Vor 2018 wird sicher nicht gebaut. Wollen die St.Gallerinnen das so? Wohl kaum!
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Für die abstimmende Mehrheit in der Stadt St.Gallen ist es knüppeldick gekommen: Sie sagte Ja zum Verkehrsreglement, das eine Plafonierung des Individualverkehrs verlangt, sie lehnte die Parkgarage unter Blumenmarkt und Uniongebäude klar ab, und weil der Stadtrat aus beidem keine Konsequenzen zog, doppelte die SP mit einer Initiative nach und verlangt einen verkehrsfreien Marktplatz.
Doch wie reagiert der rein bürgerlich zusammengesetzte Stadtrat darauf? Er kündigt an, er werde die umstrittene Parkgarage, etwas kleiner, nun bewilligen. Und er will dem Parlament vorerst keine neue Markplatz-Botschaft vorlegen – er lässt die Initiativen ins Leere laufen.
Die Parkhaus-Kröte
Der Stadtrat begründet das legalistisch, juristisch. Aber wenn man inhaltlich darüber nachdenkt, kommt man sich, deutsch und deutlich: beschissen vor. Die Meinung der abstimmenden Mehrheit wird schlicht ignoriert: Sie stimmt für eine fortschrittlichere Verkehrspolitik, die den Individualverkehr plafonieren will, und die Stadtregierung tut genau das Gegenteil.
Die Union-Garage wird nächstens grünes Licht bekommen. Dann ists mit gemütlich draussen sitzen in den Gartenbeizen rundum für lange Zeit vorbei. Auf dem Marktplatz aber wird nichts passieren, denn dort sollen zuerst in einem partizipativen Verfahren nochmals alle Wünsche abgecheckt werden – auf dass man dann einen Kompromiss finde.
Partizipative Verfahren in Ehren – aber sie sind anspruchsvoll und können nur dann gelingen, wenn die Stadtregierung ohne Vorgaben einsteigt und keine der Interessengruppen von Anfang an blossstellt. Blossgestellt aber müssen sich alle vorkommen, die wegen der Koppelung von Garage und Platzneugestaltung im Mai 2011 gegen die Vorlage gestimmt haben. Die «Kröte» wurde damals nicht geschluckt. Jetzt wird sie den Gegnern so brutal in den Hals gestopft, wie einer Mastgans das Futter.
Es ginge ganz einfach
Partizipative Verfahren brauchen – wenn sie gelingen sollen – eine unabhängige Moderation. Sollten Stadträte oder Parlamentarier versuchen, sich hier zu Moderatoren aufzuschwingen, ist das Scheitern vorprogrammiert. Miteinander reden schadet zwar nie, aber über den Marktplatz wurde schon so viel geredet, dass die Eckpunkte längst klar sind und der Stadtrat entscheiden könnte, wenn er nur den Mut dazu aufbringen würde: keine Zufahrt mehr für den individuellen (Balz-)Verkehr, keine Parkplätze mehr, die Rondelle als Bauzeugen der 1950er-Jahre erhalten und zum Bistro umbauen, Platz schaffen für die Marktfahrer und für ein paar Feste. Wenn auch noch an die Bäumli-Bänkli-Brünneli-Fraktion gedacht wird, ist das Projekt schon fertig.
So einfach gehe das aus rechtlichen Gründen nicht, belehrt uns die Bauverwaltung – wegen des heiligen St.Parkplatz. Dass sie hier einen Götzen verehrt, begreift die Regierung wohl erst dann, wenn ihr ein wirklich unabhängiger Moderator den Vergrösserungsspiegel vors Gesicht hält. Partizipatives Verfahren: Das heisst auch, Dogmen über den Haufen zu werfen.
Auf der langen Bank
Aus pragmatischer Sicht gibt es keinen Grund, wieso ein Markplatz ohne Individualverkehr und ohne Parkplätze nicht genau so gut funktionieren kann wie der Bahnhofplatz. Besser noch, denn am Markplatz steigt niemand mit einem schweren Koffer um, niemand muss Kinderwagen über Treppen hieven.
Parkplätze aufheben, Fahrverbote signalisieren: Das geht am Markplatz aber offensichtlich nicht – angeblich aus juristischen Gründen, aber wohl eher wegen der Wirtschaftslobby. Deren Druck ist am Marktplatz um einiges höher als auf dem Bahnhofplatz. Und so werden die Betonklötze, die die Treppe zum Keller unterm Markplatz schützen, wohl noch lange in ihrer ganzen Hässlichkeit liegen bleiben. Denn selbst in so banalen Gestaltungsfragen scheint alles blockiert zu sein. Wenn es im Gebälk zwischen Stadtplanung, Hoch- und Tiefbauamt so knirscht wie kürzlich (siehe «Neu planen!»), lässt man solche Blöcke wohl am einfachsten einmal liegen – mindestens bis 2018.
Wollen die St.Gallerinnen und St.Galler das so? Wohl kaum.