, 26. Januar 2017
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Auf der Suche nach Fassbarem

Auftakt zum Forum Marktplatz: Am Mittwoch hat die partizipative Planung für das städtebauliche Herzstück St.Gallens begonnen. Sie brachte erste Konturen hervor – aber auch die altbekannten Gegensätze.

Tafelrunde zur Marktplatzzukunft mit Stadträtin Maria Pappa (stehend rechts). (Bild: Harry Rosenbaum)

«Für mich ist der Marktplatz wie eine Wohnung, die saniert werden muss», sagte Stadträtin Maria Pappa von der Direktion Bau und Planung im Waaghaussaal zur Einführung. 96 Personen,  Vertreterinnen und Vertreter von Parteien, Verbänden, Vereinen und der Anwohnerschaft, nahmen an der sechsstündigen Marathonveranstaltung teil. Sie waren aufgerufen, ihre Idealvorstellungen und Ansprüche an Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt sowie an die Nutzung des Waaghauses und des Untergeschosses Blumenmarkt  zu formulieren sowie eine Gewichtung nach Übereinstimmungen und Konfliktbereichen vorzunehmen.

Gearbeitet wurde in vier Teams in wechselnden Tischgruppen. Den Anlass moderierte der Zürcher Partizipations-Fachmann Michael Emmenegger. Den Tischgruppen standen Fachleute der Direktion Bau und Planung, namentlich Stadtplaner Florian Kessler zur Verfügung. Die Stadt stellt für die partizipative Planung 120’000 Franken bereit.

Als Rahmenbedingung stellte der Stadtrat klar, dass der öffentliche Verkehr weiterhin den Kern der Altstadt erschliessen müsse. Die Vorgeschichte ist bekannt: 2011 und 2015 scheiterten zwei Marktplatzvorlagen in der Volksabstimmung.

So… (wie 2015 abgelehnt)…

«Marktplatz ist heruntergewirtschaftet»

Zur Einstimmung wurden die Ergebnisse einer Online-Umfrage vom vergangenen Herbst präsentiert, an der 40 Verbände, Parteien und Vereine sowie 17 Grundeigentümer teilgenommen hatten. Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt wurden dabei als gleich wichtig wie der Bahnhofplatz eingestuft. Gefallen fanden die Märkte, der Charme des Marktbetriebs und die vielseitigen Aktivitäten, Angebote und Nutzungsmöglichkeiten. Gestört hat die Befragten der heute heruntergewirtschaftet, nicht einladend wirkende Platz, die Verkehrssituation mit den Autos und vielen Parkplätzen sowie die ungenügende Haltestellensituation für den öV.

Weiter zeigte die Umfrage, dass der öffentliche Charakter des Platzes wichtig ist: Erdgeschossnutzungen, Gastronomie sowie Läden sollen die öffentlichen Flächen stärker prägen als bisher. Eine öV-Haltestelle im Bereich Bohl wird gegenüber einer Haltestelle im Bereich Marktplatz bevorzugt, und Fahrradabstellplätze sind auf dem Marktplatz und Bohl nicht erwünscht. Fixe Taxistandplätze soll es aber weiterhin geben. Die Stadt soll sich eine umfassende Neugestaltung von Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt leisten.

…oder so… (wie 2011 abgelehnt)…

Praktisch oder lauschig?

Die Umfrageergebnisse zeigen aber auch Uneinigkeiten bezüglich der künftigen Gestaltung: Die einen wollen eine «städtische, reduzierte, praktische» Ausrichtung und die anderen eine «lauschige und verspielte». Keinen Konsens gibt es zunächst auch in der Frage, ob Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt einen oder drei Plätze bilden sollen. Ebenso offen bleibt die Zukunft von Calatravahalle und Rondelle. Sollen diese Objekte erhalten bleiben oder abgebrochen werden? Auch keine Schlüssigkeit gibt es in Sachen Markt: Soll er ständig oder regelmässig betrieben werden, und welche Infrastruktur ist dafür nötig? Auch bei der Nutzung von Waaghaus und UG Blumenmarkt zeichnen sich in der Umfrage keine klaren Vorstellungen ab.

Visitenkarte statt Parkplatz

Die Befragten stellen jedoch mehrheitlich klare Forderungen an die Zukunft von Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt. Verlangt wird eine noch stärkere Akzentuierung als Hauptplatz und Marktort. Das städtebauliche Herzstück St.Gallens soll zum attraktiven, städtischen Platz werden, mit Aufenthalts-, Fest- und Begegnungsortfunktionen und letztlich die Visitenkarte von St.Gallen darstellen und nicht ein Ort für das Autoparken sein.

Von den Teilnehmenden an der Online-Umfrage äusserten sich 47 Prozent für die Kombination von ständigem und regelmässigem Markt, 44 Prozent sprachen sich für einen regelmässigen Markt aus und 9 Prozent bevorzugten einen ständigen Markt.

Zur Mobilität und Infrastruktur sprachen sich 70 Prozent für die öV-Haltestelle im Bereich Bohl und 25 Prozent im Bereich Marktplatz aus. 80 Prozent wollten Fahrradabstellplätze in unmittelbarer Nähe von Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt und 15 Prozent direkt vor Ort. 70 Prozent bevorzugten fixe Standplätze für die Taxis und 30 Prozent wollten keine.

…oder so… (heutiger Zustand)…?

Weiterhin uneins

Bei der Präsentation der Arbeiten der vier Forums-Teams unter den Fragestellungen nach dem Idealzustand und den Anforderungen an Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt ergaben sich erste Konturen, aber wirklich Fassbares, ein Konsens, ist kaum zum Vorschein gekommen.

Eine Gruppe will das Planungsgebiet entlang seiner Sonnen- respektive Schattenseite entwickeln und ins Helle die Gastronomie und ins Dunkle das Marktgeschehen rücken. Diese Fraktion lehnt die Errichtung einer Markthalle ab und verlangt stattdessen einen flexiblen Marktbetrieb. Bei der Frage nach einem öV-Tunnel unter dem Marktplatz und bei der Plazierung der öV-Haltestelle gibt es keine Einigung.

Ein anderes Team streicht eine möglichst grosszügige Gestaltung heraus im Stil einer Visitenkarte für die Stadt und pocht auf einen autofreien Platz und mehr Gewichtung des öV. In dieser Gruppe ist ein regelmässiger Markt erwünscht. Die Gastronomie soll sich möglichst ohne Restriktionen auf dem Platz ausbreiten können. Plädiert wird für eine Aufwertung des Waaghauses durch Mehrfachnutzung, darunter auch als Marktort.

Eine weitere Gruppe ist für einen zusammenhängenden Platz mit starker Zentrumsfunktion. Ein Markt soll auf dem Platz ein- oder zweimal in der Woche mit flexiblen Ständen stattfinden. In dieser Fraktion kann man sich auch den Abbruch der Calatravahalle vorstellen. Die Rondelle hingegen soll bestehen bleiben, weil sie den Platz unterteilt.

Die vierte Gruppe möchte einen möglichst unmöblierten, grossräumigen und ebenso grosszügigen Marktplatz. Vor allem im Bereich Bohl soll er stark belebt sein.

Mehr halb als ganz Zufriedene

Bei der Bewertung der ersten Forumsveranstaltung zum Marktplatz waren die Teilnehmenden dreigeteilt. Die grösste Gruppe zeigte sich nur zum Teil befriedigt, die zweitgrösste ganz und eine kleine Gruppe völlig unzufrieden.

Das zweite Forum findet am 27. April statt. Gemäss Stadtplaner Florian Kessler wird die erste Veranstaltung in einem Bericht ausgewertet, der voraussichtlich anfangs April erscheint.

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