, 15. November 2012
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Lulu, facettenreich

Der Stoff ist schwer – das Stück aber packend und gewitzt, als wärs von Profis inszeniert. Wer es verpasst hat, das Tanztheater «Lulu» in der ausverkauften Grabenhalle, hat in Zürich nochmal eine Chance. Lulu, die männermordende femme fatale, die «Urgestalt des Weibes»: Um die Figur ranken sich Vorurteile, seit jeher. Frank Wedekinds Original-Lulu erregte Anfang […]

Der Stoff ist schwer – das Stück aber packend und gewitzt, als wärs von Profis inszeniert. Wer es verpasst hat, das Tanztheater «Lulu» in der ausverkauften Grabenhalle, hat in Zürich nochmal eine Chance.

Lulu, die männermordende femme fatale, die «Urgestalt des Weibes»: Um die Figur ranken sich Vorurteile, seit jeher. Frank Wedekinds Original-Lulu erregte Anfang des 20. Jahrhunderts öffentliches Ärgernis, es gab Stückverbote und Skandale. Hundert Jahre später ist man andere Skandale gewöhnt, aber der Stoff fasziniert weiterhin. Und funktioniert erfreulicherweise auch ohne simple Rollen-Klischees. Das beweisen Sebastian Ryser (Text) und Dominique Enz (Choreographie) mit ihrem Ensemble «Die Spielbaren» in der Grabenhalle.

Der Trick: aus einer Lulu werden sechs. Fünf Tänzerinnen und Sprecherinnen (Myriam und Juliette Uzor, Franziska Ryser, Lisa Walder und Corinna Haag) vervielfachen die Frauenfigur, setzen die Geschichte in sparsame, präzise Choreographien um, fragen mit Witz und wohltuender Selbstironie nach heutigen Verführungsstrategien, stellen Spielregeln auf wie «Erfülle alle Klischees» – und unterlaufen zugleich alle vordergründigen Männlein-Weiblein-Bilder.

Dazwischen die Haupt-Lulu (Dominique Enz) und ihre Männer, die in schneller Folge der Tod ereilt: Goll (Sebastian Ryser), Schwarz (Maurus Leuthold), Schön (Benjamin Ryser), Alwa (Lorik Visoka) und Lulus Vater Schigolch (Florentin Heuberger).  Raffiniert einfache Bühnenwände schaffen ständig neue Räume für ein Beziehungsnetz, das sich immer enger um Lulu selbst zusammenzieht, bis zum Untergang.

Alles nur ein (Rollen)-Spiel? Für die junge Truppe, die sich nach einem Tabori-Stück jetzt zum zweiten Mal an einen grossen Theaterstoff gewagt hat, ist es ein Spiel, das spürbar Vergnügen macht. Und in dem dennoch viel Ernst steckt: der Ernst, seine eigene, selbstbestimmte Rolle im Geschlechter-Spiel zu finden.

Weitere Aufführungen im Dynamo Zürich: 4. und 5. Dezember 2012. Bilder: Moritz Lehner

 

 

 

 

 

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