Lokremise: Neue Bar als Kunstwerk

Noch gibt es erst Skizzen. Doch bereits sind euphorische Stimmen zu hören: «Ein genialer Entwurf von John Armleder», lautet ein erster Kommentar von Kunstmuseumsdirektor und Lok-Stiftungsrat Roland Wäspe. Wenn er realisiert werden könne, habe man etwas zu feiern.
Der in Genf wohnende Künstler John M. Armleder ist bereits seit der Eröffnung der Lokremise mit seinen 40 Halbkugeln über der langen Wand zur Restaurantküche präsent. Dort hat er die Form von «Wurzelmundquallen» – sie leben in der Nordsee und im Mittelmeer – mit ihrem schalenförmigen und tentakellosen Schirm in überdimensional grosse, spiegelnde Formen giessen lassen. Möglicherweise ist er also bald mit einem zweiten permanenten Werk in der Lok vertreten.
Die neue Bar für das ab dem nächsten Jahr als französisches Bistro betriebene Restaurant ist allerdings eine Zangengeburt. Die neuen Betreiber wollten dafür einen neuen Standort. Dieser soll in der Nähe des Haupteingangs sein, ungefähr dort, wo heute die Garderoben des Restaurants stehen.
Dieser Vorschlag geht offensichtlich auf einen Vorschlag von Ex-Regierungsrat Martin Klöti zurück, der – früher selbst Hotelier und Gastronom – damals einen Empfangstresen vorschlug. Daraus ist im aktuellen Projekt eine Bar geworden, die auch Empfangsfunktion übernehmen kann.
Grundsatzdiskussion über den Charakter der Lokremise
Ob dieser Standort richtig und klug ist, darüber wurde im Stiftungsrat der Lokremise – und darüber hinaus – intensiv diskutiert. Die einen wollten verhindern, dass in Zukunft der Eindruck entsteht, man betrete ein Restaurant und nicht ein offenes Kulturlokal mit seinen vier verschiedenen Angeboten von Ausstellungen, Kino, Theater und Restaurant. Die andern wollten dem neuen Gastro-Team gute Startmöglichkeiten bieten und für mehr Leben in der grossen, manchmal leer wirkenden Halle sorgen.
Viel diskutiert wurde dabei über den Charakter der Lokremise als einzigartiges und schweizweit bekanntes Baudenkmal mit seiner grossen Ausstrahlung, seiner sorgfältigen Erneuerung, seiner gemischten Nutzung, seiner Offenheit. Die Denkmalpflege, der Heimatschutz und frühere Entscheidungsträger beim Lok-Ausbau wurden involviert.
Es zeigten sich zwei Lager: glühende Befürworterinnen des neuen Bar-Standortes und scharfe Gegner, die dort einen Engpass bei grossem Publikumsandrang befürchten, oder neue Lärmquellen für die Kulturbetriebe.
Schon der Start zur teilweisen Umgestaltung des Restaurants für das neue Konzept «Paris, chez LOK» war harzig. Das kantonale Hochbauamt – die Lok gehört dem Kanton St.Gallen – fragte zuerst die Architektin Isa Stürm an, die die Lok-Sanierung plante. Ihr Vorschlag war den Fachleuten zu teuer und die Diskussionen zwischen Hochbauamt und der Architektin endeten mit ein paar scharfen Emails, wie kolportiert wird.
Neue Pläne für die Gastro-Zone, aber noch keine Details
Nun ist das St.Galler Architekturbüro von Jeanette Geissmann am Zug. Sie versucht, die unterschiedlichen Argumente und Wünsche unter einen Hut zu bringen. Dabei betont sie, dass die Struktur der Lokremise nicht tangiert werde.
Geplant seien nur rückbaubare «Möbel», sagt die Architektin. Neben der neuen Bar soll das Restaurant in einem Teil auch ein erhöhtes Podium mit einem Parkettboden bekommen und mit Sofas mit hohen Lehnen soll Intimität geschaffen werden. Künftig wird es im Restaurant drei Zonen geben: Salon, Bistro und Bar.
Weil um die Bar so viel gestritten wurde machte schliesslich Lok-Stiftungsrat und Kunstmuseumsdirektor Roland Wäspe den Vorschlag, John Armleder anzufragen. Dieser habe zuerst überrascht, dann aber mit einem genialen Vorschlag reagiert. Ob sich die Beteiligten nun auf diesen Vorschlag einigen können, ist noch offen.
Deshalb ist nach wie vor unklar, wie die Gastrozone der Lok nächstes Jahr im Detail aussehen wird. Erste Pläne, die zirkulierten, sollen nicht gezeigt werden. Allerdings: Die Lokremise ist ein der Öffentlichkeit gehörendes Bauwerk mit einer ebenso öffentlichen Nutzung. Wenn hier nun rund eine halbe Million für den neuen Gastrobereich investiert wird, sind das zum grösseren Teil auch öffentliche Gelder.
Gastro-Neustart nach zehn Jahren:
Zehn Jahre lang bewirtete Peter Schildknecht mit seiner PSG-Gastronomie das Haus. Er stemmte grosse Kisten, hatte durchschlagenden Erfolg mit den Sonntag-Brunches, eckte aber auch wegen der manchmal gesuchten Originalität an, etwa mit den kopfüber von der Decke hängenden Christbäumen oder in Personalfragen. Für den Stiftungsrat der Lok war klar, dass der nach zehn Jahren auslaufende Gastrovertrag neu ausgeschrieben werden musste – dazu ist der Kanton als Eigentümer der Lok verpflichtet. Dass PSG nicht weiter machen kann, daran ist Schildknecht Junior auch selber schuld, klebte er doch ein Aufnahmegerät unter den Tisch an dem die Vergabe ausgehandelt wurde, um so zu Infos zu kommen. Das Ding wurde entdeckt.
Der Zuschlag ging dann an Mehmet Daku, Samuel Vörös und Marcel Walker. Das Trio kennt man in St.Gallen. Marcel Walker ist umtriebiger Werber, Konzertorganisator und Gastrokonzepter. Zusammen mit dem in Luzern tätigen St.Galler Samuel Vörös und dem Leiter des Restaurants Lagerhaus, Mehmet Daku, haben die drei schon das «Brauwerk» am Bahnhofpärkli (das ehemalige «Dufour») konzipiert oder das Restaurant «Zur Werkstatt» am Blumenmarkt. «Brauwerk» und «Werkstatt» sind Konzeptlokale. Nicht einfach nur an den Tisch sitzen und gut essen, ist hier das Ziel, sondern das Erlebnis zählt: Im «Brauwerk» steht der Braukessel und es gibt eine lange Liste an Schützengarten-Biervariationen, in der «Werkstatt» – sie ist aus Corona-Gründen seit Anfang November bis auf weiteres geschlossen – wurde neben dem Tisch gekocht, Besteck und Salatsaucen kamen in einem Holzkistchen auf den Tisch.
Mit ihrem Konzept «Paris, chez LOK» haben sie den Stiftungsrat der Lok «in jeder Hinsicht überzeugt». Es bereichere den Kulturbetrieb kulinarisch und stelle zugleich ein eigenes Kulturelement dar, hiess es in der Medienmitteilung. Lagerhaus-Betriebsleiter Mehmet Daku wird künftig die Lok leiten.