Lohndumping – und der Kanton schaut zu

Den Gewerkschaften ist der Kragen geplatzt. Mit einer Protestaktion prangern sie den Minimalismus der St.Galler Behörden im Kampf gegen Lohndumping an.
Von  Ralph Hug

Plötzlich wehten am Freitag an der Davidstrasse rote Fahnen. Auf einem Transparent stand: «Lohndumping stoppen!» Das Volkswirtschaftsdepartement hatte Besuch erhalten. Ungebetenen. Von der anderen Strassenseite äugte ein Polizist hinüber.

Der Besuch hatte einen Kaktus dabei. Doch der fand keinen Abnehmer. Eigentlich hätte er Regierungsrat Beni Würth (CVP) überreicht werden sollen. Aber er war nicht da. Auch kein Stellvertreter. Die Botschaft der Gewerkschafter hat Würth aber sehr wohl gehört.

Es war keine gute: Die Gewerkschaften kritisieren, der Kanton tue viel zu wenig gegen Lohndumping. Präsidentin Barbara Gysi sagte: «Der Minimalismus bei den Kontrollen muss endlich aufhören.» Dann nahm sie einen Schirm mit lauter Löchern in die Hand. Ein Symbol für den löchrigen Schutz der Arbeitnehmer vor Lohndruck und Tieflöhnen.

Ein Arbeitgeber im St.Gallischen muss nur alle 50 Jahre mit einer Lohnkontrolle rechnen. So hat es Daniel Lampart ausgerechnet. Der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds ist extra von Bern in die Ostschweiz gereist, um den Behörden die Leviten zu lesen: «Gegenüber anderen Kantonen macht St.Gallen nur das Minimum. Und das ausgerechnet als Grenzkanton!» Das Tessin zum Beispiel kontrolliert viermal mehr.

Mehr und schärfere Kontrollen sowie konsequente Sanktionen gegen Lohndumper – das ist das Rezept der Gewerkschaften. Sonst gerieten die Schweizer Löhne durch ausländische Konurrenz unter Druck, warnt Barbara Gysi. Auf einem Transparent stand denn auch: «Schweizerlöhne sind Pflicht!»

Lampart ist beunruhigt, dass die Zahl der vom Ausland in den Kanton entsandten Arbeitnehmenden plötzlich massiv ansteigt. Und zwar viel mehr als in allen anderen Kantonen. Seit Beginn dieses Jahres sind es 20% mehr. Der landesweite Schnitt beträgt dagegen nur 3%. Lampart fragt sich: «Hat das etwa damit zu tun, dass St.Gallen die Löhne zu wenig kontrolliert und durchsetzt?»

In einem Brief an die Gewerkschaften verteidigt sich Volkswirtschaftschef Würth: Der Kanton erfülle die gesetzlichen Vorgaben. Er findet nicht, dass die mit den Kontrollen betraute tripartite Kommission schlecht funktioniere. Und die jetzigen Kontrollen reichten aus. Immerhin räumt er ein, dass das Vollzugssystem «teilweise schwerfällig» sei und dass die Effizienz verbessert werden müsse.

Doch das reicht den Gewerkschaften nicht. Sie wollen den Druck aufrecht erhalten. Und zielen dabei vor allem auf einen Gesamtarbeitsvertrag im Detailhandel ab. Hier gebe es noch zu viele tiefe Löhne.