L’Homophobie, c’est les autres

«Ob eine Person schreiend einen queerfreundlichen Haarsalon stürmt oder im Salonsessel low-key über Schwule lästert: Homofeindlich ist beides», schreibt unsere Kolumnistin Anna Rosenwasser in ihrem Beitrag im Märzheft.
Von  Gastbeitrag

Ich war heute in einem selbsternannt queerfreundlichen Haarsalon. Nicht, um mir die Haare machen zu lassen. (Leider.) Sondern, um vor einer Kamera zu erzählen, warum es queerfreundliche Haarsalons braucht. (Auch gut.) Jedenfalls fragte die Journalistin irgendwann: «Wie sollte man reagieren, wenn jemand im Salon homophob ist?» Ich sagte: Die Person auf die Aussage hinweisen. Fünf Minuten später wurde dem Inhaber des Salons die gleiche Frage gestellt. Er sagte: «Schwierig, also wenn der hier reinstürmt und Leute beleidigt…»

Das ist doch interessant: Ich dachte bei dieser Frage spontan an ein Gespräch zwischen Kunde und Coiffeuse. Der Saloninhaber, selbst schwul übrigens, dachte spontan an eine Art Angriff. Wir hatten beide recht: Beides ist Homophobie. Oder, wie ich es lieber nenne: Homofeindlichkeit. Mit Ängsten hat das wenig zu tun.

Nur: Wenn ich mit verschiedenen Menschen über Homofeindlichkeit rede – und das tue ich, damit verdien ich meine homosexuellen Brötchen –, dann denken sie meistens an das Zweite. Ganz oft werde ich gefragt: «Erlebst du in deinem Alltag Homophobie?», und ich sage, «ja, klar, leider», und wenn ich dann ein Beispiel nenne, krieg ich oft als Frage: «Aber wurdest du schonmal angegriffen?»

Anna Rosenwasser, 1990 geboren und in Schaffhausen aufgewachsen, wohnt in Zürich. Sie arbeitet für die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) und als freischaffende Journalistin. (Illustration: Lukas Schneeberger)

Als Homophobie gilt, was krass ist. Herbe Beleidigungen. Körperliche Übergriffe. Angespuckt werden auf offener Strasse. Und das stimmt ja; das ist alles Homofeindlichkeit. Sie geschieht, auch in der Schweiz, auch in den pseudo-modernen Städten. Aber: Homofeindlichkeit nimmt auch ganz andere Formen an.

Wenn die Jugendherberge am Telefon sich sträubt, einem Frauenpaar das Schlafzimmer mit Doppelbett zu geben. Wenn ich mit meiner Partnerin rechtlich weniger abgesichert werden kann als mit meinem Exfreund.

Wenn «Lesbe» so oft als Schimpfwort genutzt wird, dass wir das Wort gar nicht mehr ohne negativen Unterton verwenden können. Wenn Leute sagen: «Die Homosexuellen können in ihrem Schlafzimmer ja machen, was sie wollen, aber bitte einfach nicht vor meinen Augen». Diese Aussage höre ich öfter als Trap im Schweizer Radio. Ich finde beides etwa gleich lässig.

Wenn man sich Homofeindlichkeit nur als herbe Angriffe vorstellt, macht das vieles einfacher. Einfacher, zwischen Diskriminierung und Harmlosigkeit zu unterscheiden. Nur Heftiges als Homofeindlichkeit zu sehen, macht es einfacher, sich selbst zu den Guten zu zählen. L’homophobie, c’est les autres. Ob eine Person nun schreiend einen queerfreundlichen Haarsalon stürmt oder im Salonsessel low-key über Schwule lästert: Homofeindlich ist beides.

Der Kern dieses Missverständnisses ist die Absicht. Ob du es mit einer Aussage gut meinst, ist irrelevant, wenn das Resultat schlimm ist. Wenn deine Coiffeuse dir mit dem Rasiergerät an die Ohrmuschel fährt, hat sie es zwar auch gut gemeint – dein Ohr blutet nachher trotzdem. Gut meinen kann man es auch, wenn man absolut keine Ahnung hat. Darum geht auch «ich wollte dich nicht verletzen damit» nicht ganz auf. Das Ohr ist ja trotzdem am Arsch. (Anatomie mit Rosenwasser. Bitte gerngeschehen.)

Wie geht man also damit um, dass jemand im Haarsalon homophob ist? Erstmal genau abchecken, ob es nicht man selbst ist.