Lernen von den Grubenmännern
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Die Baumeister der Familie Grubenmann haben im 18. und 19. Jahrhundert nicht berechnet, sie haben getestet, beobachtet, weiterentwickelt, gebaut. Ihre Brücken und Dachkonstruktionen überspannen weite Räume ohne Stütze und halten doch – eine Herausforderung auch für heutige Baumeisterinnen und Baumeister und solche, die es werden wollen.
Etwa die Studierenden von Yves Weinand: Der Ingenieur und Architekt, Professor an der ETH Lausanne, besuchte das Grubenmannmuseum im Zeughaus Teufen mit über 50 Studierenden. Sie analysierten Bauten der grossen Vorgänger, 15 davon bauten sie in Modellen nach, darunter die Kirchdächer von Teufen, Trogen, Wädenswil und viele andere. Damit eigneten sie sich das Gespür fürs Mögliche an – und erlauben es dem Publikum, die Holzkonstruktionen aus nächster Nähe zu sehen, ohne dafür in Dachstühle zu klettern.
Im Universum der Dachlatten
Das Zeughaus Teufen ist der ideale Ort – im Obergeschoss befindet sich die permanente Grubenmann-Sammlung. Und wie immer sorgt Kurator Ueli Vogt für eine passende Kontextualisierung. Einmal mehr spannt er den Bogen mit zeitgenössischer Kunst weiter als dies mit der blossen Konzentration auf das Erbe der Grubenmanns möglich wäre.
Project Grubenmann: bis 12. Februar 2017, Zeughaus Teufen
Vortrag Yves Weinand: 20. November, 14 Uhr
Und so passt es perfekt, was Yves Weinand in seinem Einleitungstext zum Buch Projekt Grubenmann schreibt: «Die Rekonstruktion der Grubenmannschen Dachstühle sind ein anschauliches Beispiel dafür, dass die Berufe des Ingenieurs und des Künstlers damals identisch sein konnten und dass die Erfindungen der ‹Künstleringenieure› im Zeitalter des Barock tatsächlich technische und künstlerische Kenntnisse gleichermassen erforderten und repräsentierten.»
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Kirchendachstuhl-Modelle nach Grubenmann im Zeughaus, oben umlaufend der Schriftzug von Alex Hanimann.
Die Kunst mit ihrem freien, offenen Ansatz ordnet sich der zweckgebundenen Architektur nicht unter, sondern schreibt sie fort, eröffnet neue Denk- und Blickweisen. So wird ein Kilometer roher Dachlatten unter den Händen des Künstlerkollektivs FMSW (Lina Faller, Marcel Mieth, Thomas Stüssi und Susanne Weck) zu einer mäandernden, hölzernen Linie im Raum. Sie verzweigt sich, stützt die Modelle, verbarrikadiert sie aber auch.
Während die Modelle millimetergenaue, feingeschliffene Fachwerke sind, treffen die Dachlatten wie zufällig zusammen, fahren übereinander, untereinander durch, verkeilen sich und folgen einer eigenen Logik. Damit stehen sie nicht nur im Kontrast zu den Architekturmodellen, sondern auch zur Arbeit von Monika Spiess.
Die St.Galler Künstlern bringt weisse, feste Papierbögen in eine dreidimensionale Keilform: eine Fläche rechts und links, ein Boden, eine offene Seite und eine mit flachen, offenen Stufen. Die bis auf den Millimeter identischen Bauten sind in Reihen gestellt, teilweise ineinander gesteckt und ragen in die Höhe. Durch ihre formale Zurückhaltung und die variierenden Positionen bieten sie vielfältige Raumerfahrungen.
Schwebende Glücksbringer
Auch Birgit Widmers Strohhäuser und Alex Hanimanns Schriftzug verzahnen sich mit den Grubenmannmodellen. So wie die Modelle nur die Dachstühle abbilden, schweben Widmers von den finnischen Himmeli inspirierte Gebilde in der Luft und bringen sicherlich auch dem Zeughaus Teufen auf drei Etagen Glück.
Hanimann hat seine bereits im «Heimspiel» gezeigte Arbeit weiterentwickelt und passgenau plaziert im Mittelschiff des Zeughauses. Zu den Aufforderungen «we need to talk» und «we have to keep talking» ist «we need to find a solution» hinzugekommen – gleichsam eine Handlungsanweisung für Architekten, Ingenieurinnen und ihre Berufskollegen.
Wieder einmal dabei ist Christina Witzig mit ihren Textprojektionen. Sie verbindet Zitate aus der Grubenmann-Literatur mit persönlichen Aussagen der langjährigen Grubenmann-Museumsleiterin Rosmarie Nüesch-Gautschi und schlägt damit den Bogen zum Projekt Grubenmann-Buch. Erschienen in der VGS Verlagsgenossenschaft St.Gallen, gestaltet durch TGG Hafen Senn Stieger St.Gallen und mit Texten von Weinand und Rosmarie Nüesch, ist es anlässlich der Ausstellung erschienen und funktioniert davon unabhängig als substanzreiches Nachschlagewerk.