, 28. Oktober 2017
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Lehner, Schnyder und die Team-Kultur

Kunst ist kein Sololauf: Das war das Motto der Kulturpreis-Feier der st.gallischen Kulturstiftung am Freitag in der Lokremise. Geehrt wurden Sitterwerk-Gründer Felix Lehner und Autorin Rebecca C. Schnyder.

Den FC St.Gallen gegen Stickereibaron Gröbli? Das Theater gegen die Olma? Marktplatz gegen Akris? Die St.Galler Geschichte und Gegenwart als Spiel um Panini-Bildchen: Diese witzige Eröffnungsszene zum Stück Erstickte Träume konnte man am Freitagabend in der prallvollen Lokremise noch einmal sehen, drei Jahre nach der Uraufführung am gleichen Ort. Autorin Rebecca C.Schnyder spielte gleich selber, zusammen mit Schauspieler Matthias Flückiger. Und die Laudatio hob noch einmal die Qualitäten des Stücks hervor, den frischen Blick, die doppelbödige Sprache, den alles andere als betulichen Zugriff auf die schmerzhafte Geschichte der Stadt.

Szene aus „Erstickte Träume“. (Bild: Theater St.Gallen)

Das Stickereistück war einer der Gründe, warum die st.gallische Kulturstiftung Rebecca C. Schnyder ihren Förderpreis im Betrag von 10000 Franken verliehen hat. Trotz des dafür gewählten historischen Stoffs sei Schnyder aber nicht «die Eveline Hasler der Theaterbühne», frotzelte Laudator und Stiftungsrat Hansruedi Kugler. Schnyders Spezialität seien vielmehr Familiendramen und «beunruhigende Emanzipationsgeschichten», wie Alles trennt, kürzlich in der Kellerbühne uraufgeführt, oder das im Vorjahr vom Konstanzer Theater auf dem Säntis inszenierte Stück Und wenn sie gingen. Mit Texten wie diesen, aber auch Alles ist besser in der Nacht, ihrem Roman von 2016, einem «Antimärchen» um die rotzige Billy, habe sich die in Ausserrhoden aufgewachsene Autorin als prägnante Stimme in der Ostschweiz etabliert.

Rebecca C.Schnyder.

Damit eine solche Stimme auch gehört wird, braucht es Zusammenarbeit. Der Text allein mache noch kein Theater – nötig sei ein Team mit Regie, Technik, Spielerinnen und Spielern, Helfern. Das hob Stiftungspräsidentin Corinne Schatz in ihrer Begrüssung hervor. Sie erinnerte an die Wechselfälle der Kunstgeschichte: Hier das Bild des genialen Künstlerindividuums und die Verabsolutierung der künstlerischen Idee – dort die Werkskepsis des 20. Jahrhunderts bis hin zur werkfreien Konzeptkunst. Und hier in St.Gallen, unten im Sittertal, einer, der nicht der Künstler sein will, sondern der Handwerker, der hilft, dass aus Ideen Kunst wird: Felix Lehner.

Man müsste Felix Lehner eine ganze Palette anderer Preise geben: einen Innovationspreis, einen Unternehmerpreis, einen Kreativitätspreis… oder ganz einfach den «Prix Felix», sagte Regierungsrat und Stiftungs-Vizepräsident Martin Klöti in seiner Laudatio zum mit 20000 Franken dotierten Anerkennungspreis.  Lehner habe das Sitterwerk zu einem Nabel der globalen Kunstwelt gemacht und sei der lebende Beweis dafür, dass die Kombination von «Unternehmer» und «Kulturmensch» keine Giftmischung sei.

Der Start 1994 im Sitterwerk, rechts Felix Lehner. (Bild: Archiv Sitterwerk)

1994 war Felix Lehner vom aargauischen Beinwil zurück nach St.Gallen gekommen, mit zwei Mitarbeitern. Heute arbeiten im Sitterwerk 40 bis 50 Personen, betreiben Kunstgiesserei, Bibliothek, Werkstoffarchiv, Kesselhaus Josephsohn und weitere dem Sitterwerk und der Stiftung angegliederte Arbeitsfelder.

Einen Grund für den Erfolg liess die Bilderserie zur Geschichte des Sitterwerks erahnen: engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einen weiteren möglichen Grund nannte Lehner in seiner Dankrede: Das Sitterwerk sei am Rand der Stadt gelegen, unter der Brücke, an einem nicht so ganz definierten Ort. Einem guten Ort vermutlich für freies Denken, für jenen «Mut, Eigensinn, Inspiration und kulturellen Elan», welche die Jury ihrem Preisträger attestiert.

Felix Lehner.

Felix Lehner lobte daneben das tolle Kulturklima in St.Gallen. Martin Klöti war stolz darauf, eine Institution wie das Sitterwerk in der Region zu haben. Und Hansruedi Kugler lobte das Theater St.Gallen und sein vielseitiges Programm. Bloss beim Lob blieb es allerdings nicht. Schnyder wie Lehner betonten, wie willkommen ihnen das Preisgeld sei – weil mit künstlerischer Arbeit niemand reich werde und die Kultur Unterstützung brauche.

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