Kunst-Spiel in der Ruine

Das verfallende Hotel Ekkehard im St.Galler Singenberg taucht bis Ende Dezember aus dem Tiefschlaf auf: Es beherbergt die Gegenausstellung zum Heimspiel, das Spiel. Mehr als dreissig Kunstschaffende machen mit. Die Räume wären auch ohne Kunst ein Gesamtkunstwerk. Die Decke aufgerissen, Durchbrüche, Kabel, Röhren, Müll. Nah am Eingang der temporären Ausstellung wächst aus dem Boden ein […]
Von  Peter Surber

Das verfallende Hotel Ekkehard im St.Galler Singenberg taucht bis Ende Dezember aus dem Tiefschlaf auf: Es beherbergt die Gegenausstellung zum Heimspiel, das Spiel. Mehr als dreissig Kunstschaffende machen mit.

Die Räume wären auch ohne Kunst ein Gesamtkunstwerk. Die Decke aufgerissen, Durchbrüche, Kabel, Röhren, Müll. Nah am Eingang der temporären Ausstellung wächst aus dem Boden ein buntes Kabelröhrendraht-Monster, und man weiss hier wie auch bei anderen Werken nicht so recht: Wo fängt die Kunst an und wo hört der Ekkehard-Zerfall auf.

Beim «Spiel», der Gegenausstellung zum Heimspiel, eine Art «salon des refusées», ist alles provisorisch. So rasch wie die Ausstellung eingerichtet wurde, so bald (Ende Dezember) verschwindet sie auch wieder. Und ein Urteil darüber, ob die Heimspiel-Jury zu Recht «refüsiert» hat, was hier spielerisch ausgestellt ist, fällt schwer – der abblätternde Ekkehard-Charme färbt auf die Arbeiten selber ab, Ort und Werk vermischen sich.

So schellt in der früheren Telefonkabine, in der sich Annina Thomann eingerichtet hat, plötzlich das Telefon. Und auf der zerkratzten Wand im einstigen Salon fliegen winzig, fast übersieht man sie, Möwen daher und davon – «Future of Species» nennt Peter Dew seine poetische Wandarbeit. Christoph Reichlin beleuchtet gar bloss die leere Wand – und die erweist sich als geborenes Kunstwerk… (Bild oben).

Auch Protest gegen das «offizielle» Heimspiel fehlt nicht: In einer Nische plaziert Herbert Kopainig seinen schäumenden Einspruch gegen die «Crème de la Schäm» der Kunst, ganz in der Nähe glotzen Hans Thomanns «Platzhirsche» von der Wand, im Nebenraum tanzt verloren die Puppe Ella von Erik T.Sonschein (Bild unten) und verstreut Hansjakob Büchi zum «Fahrplanwechsel« alte Fahrpläne und sonstigen Güsel über eine Briobahn. «Please touch it!» schreibt Büchi dazu an die Wand: Kunst ohne Berührungsängste, aber auch mit rascher Verfallsfrist.

Neben Schreierischem fallen stille, genaue Arbeiten auf wie die Drucke von Karl A. Fürer oder Daniel Bollers acht melancholische Schwarz-weiss-Fotografien aus unterschiedlichen Ecken der Welt, von Sirnach bis Wien und L.A. Daneben rattert knallbunt Andy Guhls «The Instrument» über den Grossbildschirm. Und im Eingangsraum kann man sich blendend amüsieren mit den «Wagnissen», die Claudia Roemmel gesammelt und gefilmt hat: Einer probiert auf rohen Eiern zu balancieren, eine andere will sich die Kappe mit einer Rakete vom Kopf schiessen lassen, beides geht schief, aber die Lust daran, «es» endlich einmal probiert zu haben, überträgt sich auf den Zuschauer.

Das gilt auch für das ganze «Spiel» im Ekkehard – Hauptsache, man hats gewagt. Zu sehen ist die Ausstellung noch am 23. sowie vom 26. bis 30. Dezember, jeweils 11-16 Uhr.

Und: Mehr zu lesen und zu sehen vom anderen, dem «Heimspiel», und von der Lage der Kunst überhaupt gibt es im Titelthema der Januar-Ausgabe von «Saiten».