Kultursparerei (I): Die Lokremise
Beim dritten Sparpaket des Kantons St.Gallen Ende Juni soll nicht zuletzt die Kultur zur Kasse kommen. Worum es geht – und wo der Widerstand bleibt.
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«Der Kanton fördert Kultur auf breiter Basis und auf höchstem Niveau.» So spricht der kantonale Kulturchef, Regierungsrat Martin Klöti, in einem Zwölfminuten-Video, in dem die Regierung die Schwerpunkte der kantonalen Politik bis 2017 erläutert. Das Programm, am 7. Juni öffentlich vorgestellt, gelte «trotz Sparmassnahmen». In Wahrheit gilt: Die Bekenntnisse sind so allgemein, dass sie nicht viel taugen.
Denn konkret sieht es beim aktuellen, dritten Sparpaket mit der Kulturförderung «auf breiter Basis und auf höchstem Niveau» schlecht aus – wenn der Kantonsrat an der Sondersession Ende Juni zustimmt:
Beispiel 1: die Lokremise. Hier soll der Beitrag für die Kunstzone gleich um die Hälfte, von 580’000 Franken auf 290’000 Franken, gekürzt werden.
Beispiel 2: Klangwelt Toggenburg soll 100’000 Franken weniger im Jahr erhalten.
Beispiel 3: Jahresbeiträge an Institutionen, Projektbeiträge und der Kunst-Ankaufskredit werden gekürzt, die Atelierwohnung im Rom fällt ganz weg.
Gesamtbetrag der Streichungen, die im Kantonsdeutsch «Entlastungen» heissen: 820’000 Franken.
Wir greifen hier die Kultursparerei auf, fragen nach den Folgen und nach allfälligem Widerstand. Den gibt es tatsächlich – aber (noch) sehr zurückhaltend.
Der grösste Brocken: Kunst in der Lokremise
Nicht weniger als einen Drittel an das ganze Kultur-Sparpaket soll die Kunstzone in der Lokremise beitragen. Koni Bitterli, stellvertretender Direktor des Museums, erklärt erst einmal die «Mechanik»: Das Geld des Kantons geht an die Stiftung Lokremise, diese wiederum gibt es im Leistungsauftrag an das Kunstmuseum weiter für Ausstellungen im Kunstraum. Als indirekter Geldempfänger kann das Museum auch nur indirekt reagieren, sagt Bitterli: einerseits gegenüber der Stiftung, andererseits mit einem Brief an ausgewählte Kantonsräte, der dieser Tage verschickt wird.
Tenor des (in der Sache klaren, im Ton sehr moderaten) Briefs: Werde der Betrag halbiert, dann bedeute dies das Aus für die Kunst in der Lok. Und nicht, wie die Regierung in der Botschaft schreibt, eine «eingeschränkte Programmation». Der Grund: Rund 200’000 Franken pro Jahr sind Fixkosten für Mieten, Infrastruktur und Aufsicht. Hinzu kommen die Dimension und die Bedingungen des Raums, welche das Ausstellen dort aufwendig und teuer machen.
Was Koni Bitterli «irritiert», wie er sagt, ist: Diese Bedingungen waren von Beginn weg klar, der Betrag von 580’000 Franken war Teil der Volksabstimmung über Bau und Betrieb der Lokremise – die jetzige Vorlage setze sich also über den Volkswillen hinweg. Und unterlaufe den Anspruch an die Lokremise. «Natürlich kann man Jekami-Ausstellungen realisieren, aber auch diese müssten installiert und betreut werden – zudem wollte der Kanton explizit ein Labor für zeitgenössische Kunst mit Ausstrahlung.»
Originalton im Brief: «Der Kanton St.Gallen kappt mit der vorgeschlagenen radikalen Kürzung sein erfolgreichstes Unternehmen im Bereich der bildenden Kunst.» Da gibt es zwar auch skeptischere Ansichten – die Ausstellung im Riesenraum hätten besonders zu Beginn zu wenig Aufmerksamkeit gefunden, sagen Kritiker, und das ebenfalls renovierte ursprüngliche Badhaus der Lokführer nebenan sei nicht wie erhofft zum lebendigen Labor-Ort geworden. Bitterli hält dagegen: Die Kunstzone sei inzwischen bestens etabliert; so ziehe die laufende Ausstellung Anthony McCall (Bild unten / Stefan Rohner) monatlich über tausend Leute an, und zwar teils von weit her.
Was tun, wenn der Sparbefehl kommt? Öffnungszeiten reduzieren? Die Kunstzone sei jener Ort, der neben dem Restaurant immer offen sei; ohne ihn funktioniere die Lokremise in ihrer spartenübergreifenden Anlage nicht mehr. Andere Geldgeber finden? Bitterli ist überzeugt: «Es steigt kein privater Geldgeber ein bei etwas, wo der Kanton gerade ausgestiegen ist».
Das ist für ihn das Ärgerlichste: Gerade einmal tausend Tage alt ist die Lokremise, Vorzeigeprojekt der kantonalen Kulturpolitik – und jetzt soll sie bereits wieder demontiert werden. «Die ganze Spardebatte ist kurzsichtig.»
Weiteres zum Schmörzelstaat: im aktuellen Saiten-Heft.