Kopfschuss-Partei zum Zweiten

Was das Sommerloch nicht alles bewirken kann: Die Junge SVP des Kantons St.Gallen hat wegen eines Gerichtsurteils die schädlichen Auswirkungen von Kopfbedeckungen auf die Integration fremder Völkerschaften untersucht.

Von  Harry Rosenbaum

Das Ergebnis wird auf höchster Ebene kommuniziert, d.h. mittels eines offenen Briefes dem Schweizerischen Bundesgericht eröffnet. Die letzte Instanz im Land hat nämlich das Kopftuchverbot für muslemische Mädchen an der Schule im thurgauischen Bürglen aufgehoben, weil es dafür keine Rechtsgrundlagen gibt.

Die braucht es auch gar nicht, nach Ansicht der Jungen SVP. Im offenen Brief, der in Anbetracht des Sommerlochs auch an die Medien gemailt worden ist, wird erklärt warum. «Kopftücher sind ein religiöses Zeichen und werden als solches auch als ein Symbol der Abgrenzung gegenüber Nicht-Muslimen wahrgenommen», heisst es da. Und weiter: «Nach unserem Verständnis und gemäss dem, was uns als Schüler vermittelt wurde, ist die Volksschule aber der religiösen Neutralität verpflichtet. (…) Ihren Entscheid vom 11. Juli empfinden wir darum als ein Hindernis für die Integrationsbemühungen in der Volksschule.»

Nach der methodisch-didaktischen Kritik an den höchsten Richtern und Richterinnen geht es direkt zur justiziellen Pflicht, Indoktrination durch gezieltes Anwenden der einschlägigen Paragraphen zu unterbinden. Die Junge SVP formuliert das so: «Unserer Meinung nach ist es auch nicht sinnvoll, dass Primarschülerinnen Kopftücher tragen, weil es nicht möglich ist, festzustellen, ob sie das wirklich aus freien Stücken tun oder auf Geheiss ihrer Eltern.» Und auch die massenpsychologische Auswirkung entgeht der Aufmerksamkeit der Integrationsexperten nicht: «Ausserdem besteht nun die Gefahr, dass muslimische Mädchen, die bisher kein Kopftuch tragen wollten, von muslimischen Klassenkameraden unter Druck gesetzt werden, damit auch sie sich entsprechend kleiden.» Zu guter Letzt warnt die Junge SVP noch vor der Unterstützung extremistischer Entwicklungen, indem sie zu bedenken gibt: «Wir befürchten auch, dass Ihr Entscheid Tür und Tor öffnen wird für weitergehende Forderungen seitens religiöser Fundamentalisten.»

Tja, etwas fehlt da in der Analyse des Richtspruchs aber doch noch: die Güterabwägung! Man kann aus guten Gründen gegen die demonstrativ zur Schau gestellte religiöse Zugehörigkeit sein. Nur, im Fall muslimischer Mädchen, die mit Kopftuch zur Schule gehen wollen, müsste diesen nach der Logik der Jungen SVP a priori der Schulbesuch verboten werden. Soll aber das Menschenrecht auf Bildung von einem Stück Stoff abhängig gemacht werden? Und ist die von der Jungen SVP verlangte Integration überhaupt möglich, wenn jemand aus einer anderen Kultur hier nicht zur Schule gehen darf?