Kongress-Flucht stoppen

Zuerst wars der Brustkrebs-, dann hat sich der Darmkongress aus der Stadt St.Gallen verabschiedet. Jetzt soll etwas gegen den Exodus unternommen werden. Was genau, wird in den nächsten Monaten entschieden.
Von  Harry Rosenbaum

Muss das Hotelangebot kompatibler auf die Kongressveranstalter ausgerichtet oder muss mehr in die vorhandene Infrastruktur investiert werden? Diesen und anderen Fragen will man in den nächsten Monaten nachgehen, versprach Stadtpräsident Thomas Scheitlin am Freitag vor den Medien. Eine kompetente Taskforce aus Stadtbehörden, Olma Messen, Hoteliers und Touristikern ist denn auch schon gebildet worden.

Drei grosse Fragen

Erstens will man darüber reflektieren, warum zwei Kongresse verloren gegangen sind. Zweitens: Welche Kongressbedürfnisse haben die Olma Messen, die Uni, die Empa und das Kantonsspital? Drittens: Wer sind die Zielgruppen und welche konkreten Massnahmen braucht es, um St.Gallen nachhaltig als Kongress-Stadt abzusichern? Ende August, anfangs September soll man mehr darüber wissen, wie St.Gallen seinen Ruf als Messestadt verteidigen will.

St.Gallen, so der Stadtpräsident, wolle ein «nationaler Player» in der Kongress-Szene sein, auf Augenhöhe mit Basel, Bern, Interlaken und Davos. – Ein hehres Ziel, denn in der internationalen Kongress- und Tagungswirtschaft sieht die Zukunft eher düster aus. Der Europäische Verband der Veranstaltungs-Centren (EVVC) spricht gar von einer spürbaren Rückläufigkeit der Veranstaltungen.

Hart umkämpfter Kongressmarkt

Als Hauptproblem sieht man die Ausdehnung des Sommerferien-Korridors. Es heisst: «Rund 20 Tage mehr Korridor für die Sommerferien bedeuten 20 Tage weniger für die Kongress- und Tagungssaison.» Österreich Werbung (ÖW) und Austrian Convention Bureau meinen, es gebe zwar mehr Kongresse, aber immer weniger Teilnehmer. Nun, klar sind die Entwicklungstrends nicht. Aber am Markt herrscht immer mehr Konkurrenz, das weiss man auch in St.Gallen.

Nur schon im Bodenseeraum gibt es ein halbes Dutzend Kongressorte, die sich mit der Gallusstadt messen können. Da ist Friedrichshafen, mit Messeinfrastruktur und einem internationalen Flughafen vor der Haustüre. In der Eigenwerbung der Bodenseestadt heisst es: Die Unterbringung von 10’000 Kongress- und Tagungsteilnehmern sei kein Problem. – Da ist Konstanz, immerhin Konzilstadt, auch wenns lange her ist. – Da ist Lindau: Seit Jahrzehnten treffen sich hier die Nobelpreisträger zu ihrer Jahrestagung. – Da ist Bregenz: Weltberühmtes Festspielhaus mit angegliederter Kongress- und Tagungsinfrastruktur. – Da ist Dornbirn mit moderner Messeinfrastruktur. Und auch Vaduz ist ein ernstzunehmender Konkurrent: Finanzintermediäre, Steuersitz internationaler Konzerne und Fürstenambiente.

Zelte statt Hotelzimmer

Wie ist St.Gallen bei der Kongress- und Tagungswirtschaft positioniert? Nicht gerade als Topfavorit, aber es wird wahrgenommen: Gute Verkehrsanbindung, viele Möglichkeiten für angenehme Rahmenprogramme und stabile Infrastruktur (Olma Messen, Uni). – Am meisten Publikum brachten in den letzten Jahren die legendären Open Airs. Das sind aber eindeutig Events ausserhalb der Kongresswelt, nur schon weil in Zelten und nicht in Hotelzimmern logiert wird.

Bild: www.olma-messen.ch