Knöppel akzeptieren Grabenhalle-Nein

Den Entscheid der Grabenhalle, die St.Galler Gruppe Knöppel nicht auftreten zu lassen, sah Sänger und Gitarrist Daniel «Midi» Mittag kommen – und hat keine Ressentiments deswegen. Ihm ist eine Halle mit Haltung lieber als eine mit kommerziellen Interessen. Dennoch setzt er hinter den Entscheid Fragezeichen.
Von  David Gadze
Knöppel im Dezember 2019 in der Grabenhalle. (Bilder: Instagram Knöppel, Andografie)

Vermutlich über 30 Mal stand der St.Galler Musiker Daniel «Midi» Mittag auf der Bühne der Grabenhalle, entweder als Trashbarde Jack Stoiker oder mit seiner Punkrock-Band Knöppel – oder beides, wenn Stoiker im Vorprogramm von Knöppel spielte.

Um die Jahrtausendwende hatte sich Stoiker während Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, der Live-Rückkehr ab ca. 2009 folgte die Gründung von Knöppel und mit dem ersten Album Hey Wichsers (2016) der Aufstieg von einer lokalen Kultfigur zu einem nationalen Phänomen. Landauf, landab spielten Knöppel in ausverkaufen Klubs und Hallen.

Und Anfang 2018 wählten die Hörer:innen von Radio SRF3 unter 40 Vorschlägen von Admiral James T. über Gotthard bis zu The Young Gods mit 30 Prozent der Stimmen Prada gar zum besten Schweizer Rocksong. «Knöppel scheinen nicht nur den Zeitgeist getroffen zu haben, sondern auch unter Schweizer Musikern einen hohen Respekt zu geniessen», hiess es vonseiten SRF3 anlässlich der Bekanntgabe des Abstimmungsresultats.

Am Zeitgeist vorbei

Heute, etwas mehr als fünf Jahre später, spricht die Grabenhalle der Band genau diesen Zeitgeist ab. Oder anders gesagt: Der Zeitgeist hat sich geändert, die Texte der Band – die, entgegen der Darstellung in anderen Medien, nicht einfach von Masturbation und (männlichen) Geschlechtsteilen handeln, sondern oft ironisch, manchmal auch gesellschaftskritisch sind – nicht.

Auch aufgrund der Stimmung am letzten Knöppel-Konzert in der Grabenhalle Ende 2019, die vor allem viele der weiblichen Mitarbeiter:innen als übergriffig empfunden hatten, entschloss die «Kulturhalle für alle», der Band das geplante Konzert im Herbst, wenn auch das neue Album erscheint, zu verweigern.

Lieber sperrig und ohne Knöppel als austauschbar

Was sagt eigentlich Midi dazu? Schon kurze Zeit nach der Publikation kommentierte er den Artikel auf der Saiten-Website:

«Mein/unser Standpunkt war und ist, dass die Grabenhalle selber entscheiden kann und soll, wen sie auftreten lässt und wen nicht. (Als Subventionsempfänger hat sie da zwar einen gewissen kulturellen Auftrag, aber daraus abzuleiten, dass Knöppel spielen sollen, fände ich gewagt.)
Wir finden die Entscheidung natürlich völlig falsch und würden gerne spielen, aber eben in einer Grabenhalle, die von ihrer Community getragen wird, und in dem Fall ist mir tausendmal lieber, die Grabenhalle bleibt die Grabenhalle – sperrig und meinetwegen ohne Knöppel-Konzert –, als dass das ein völlig austauschbarer Veranstaltungsort wird, der sowas rein kommerziell betrachtet.»

Vom Entscheid nicht überrascht

Der Entscheid der Grabenhalle sei für ihn «keine Überraschung», sondern habe sich seit einiger Zeit schon abgezeichnet, sagt Midi auf Anfrage. Es sei nun eine neue, jüngere Gruppe am Ruder, die anders ticke – und das sei absolut in Ordnung. «In diesem Alter geht es doch genau darum, eigene Communitys zu bilden und andere Communitys abzulehnen. Das ist völlig normal. Und das ändern zu wollen, würde alles kaputtmachen.»

Er könne die Absage vor allem deshalb akzeptieren, weil die Grabenhalle Haltung zeige, sagt Midi – auch wenn er hinter die Begründung ein Fragezeichen setze. Denn er glaube nicht, dass die Texte der primäre Grund für das Nein seien. Andernorts sei das nie ein Thema gewesen.

«No bad feelings, wichs on und Peace!»

Machogehabe weist Midi jedenfalls von sich. Vielmehr sei er eigentlich eine unsichere Person: «Wenn ich nicht selbst eine ordentliche Portion Verklemmtheit in mir hätte, würde ich nicht übers Wichsen singen.»

Vorerst kommt also kein weiterer Auftritt in der Grabenhalle für Knöppel hinzu. Enttäuscht darüber oder nachtragend ist Midi jedenfalls nicht. «Dann suchen und finden wir eben andere Orte, an denen wir auftreten können – auch in St.Gallen».

Oder wie er am Schluss seines Kommentars schrieb: «In dem Sinne: No bad feelings, wichs on und Peace!»