Kill the Patriarchy und die Leichen spielen dann im Keller

Kürz­lich sass ich stun­den­lang am Tisch des In­fo­la­dens ei­ner Haus­be­set­zung und hab ir­gend­wel­chen Punks Sti­cker, Zi­nes oder ­Ka­len­der an­ge­dreht. Don’t ask, es war ein Ver­se­hen, So­li-Fest für ir­gend­was, kei­ne Ah­nung, und ich war da ei­gent­lich nur, um mit mei­nem neu­en Crush zu flir­ten. Aber als er mich ein­ge­la­den hat­te, hat­te er nicht er­wähnt, dass er den hal­ben Abend lang am In­fo­stand ar­bei­ten muss, aber tja, er war cu­te ge­nug, dass ich mich zu ihm setz­te und zwei Stun­den lang an­ar­chis­ti­sche Theo­rie ver­kauf­te. I'­ve had worse dates, oder?

Hat­te ich tat­säch­lich, zu­min­dest bis sei­ne Schicht fer­tig war und er mich in den Kel­ler schlepp­te, um sei­ne Lieb­lings­gi­tar­ren­band zu se­hen: lan­ge Haa­re, Bart, Stoner-Rock-Riffs, al­les cis Män­ner (I as­ked) und 30 ap­par­ent­ly cis Män­ner zu­vor­derst im Pu­bli­kum (I did not ask tho). Und auf der Büh­ne ein gros­ses Ban­ner: «Kill the Pa­tri­ar­chy». Das hört sich an wie Sa­ti­re, aber das tut die Rea­li­tät der­zeit lei­der viel zu häu­fig, im Oval Of­fice oder im Kel­ler dei­ner lo­ka­len Punks, as abo­ve, so be­low.

Weil ich ge­dacht hab, dass das wit­zig bis fuck­ing ab­surd ist, sprach ich Crush und des­sen Fri­ends an, und nein, das war nie­man­dem auf­ge­fal­len, aber ja, das Pro­blem kennt Mann na­tür­lich, Fe­mi­nis­mus und so. Auch bei der Hard­coreband des ei­nen sei­en die ers­ten Rei­hen im­mer voll von Män­nern, die al­len an­de­ren kei­nen Raum mehr üb­rig lies­sen. Sei­ne Freun­din traue sich kaum nach vor­ne bei den Shows, sag­te er, das ner­ve to­tal.

Dass man auf der Büh­ne, mit Mi­kro­fon im Schein­wer­fer­licht, ei­ne ge­wis­se Macht­po­si­ti­on ein­nimmt, scheint ir­gend­wie nie wer wahr­ha­ben zu wol­len. Wer 100 Men­schen zum Klat­schen brin­gen kann, kann wohl auch die zehn Arsch­lö­cher zu­vor­derst da­zu brin­gen, ein we­nig Platz für an­de­re zu ma­chen. Bands sind für ihr Pu­bli­kum ver­ant­wort­lich, und wenn ei­ne Män­ner­band vor drei Rei­hen Män­nern spielt, muss mir da nie­mand von de­nen rum­heu­len, dass ih­re Girls kei­nen Platz mehr hät­ten.

Ich se­he wö­chent­lich Kon­zer­te und ich hab nur sel­ten er­lebt, dass ei­ne Band ei­ne Show pau­siert hat, weil sie ein Ver­hal­ten, Grab­schen, Schub­sen nicht to­le­rie­ren woll­te. Awa­re­ness-An­sprü­che oder die For­de­rung nach di­ver­sen Lin­eups stel­len auch fast nur Men­schen, die oh­ne die­se Din­ge kei­nen für sie si­che­ren Raum vor­fin­den wür­den. Als ei­ne Pro­duk­ti­on, bei der ich mit­ar­bei­te­te, die Show pau­sier­te, weil sich wer im Mosh­pit ver­letzt hat­te, gab das an­er­ken­nend über­rasch­tes Lob vom hal­ben Team der Lo­ca­ti­on. The bar is so fuck­ing low und wird wohl um­so tie­fer, je hö­her die Büh­nen wer­den.

Das glei­che bei den Ma­cker­punks. Die Kri­tik und der Ak­ti­vis­mus hö­ren beim En­de des Ka­pi­ta­lis­mus auf, das Pa­tri­ar­chat aber halt noch lan­ge nicht. Red Flags über­all, von der De­ko bis zur Miso­gy­nie. Aber viel­leicht ist das beim Crush dann doch mal an­ders, just for on­ce, lass mich ei­ne de­lu­lu Bitch sein, okay, al­so falls der Crush die Ko­lum­ne liest: Wenn du kei­ne Ma­cker oder Arsch­lö­cher mehr buchst, schreib doch mal wie­der, dann kön­nen wir ge­mein­sam das Pa­tri­ar­chat um­le­gen, wenn du ver­stehst, was ich da­mit mei­ne, xoxo.

Mia Nä­ge­li, 1991, ar­bei­tet nach ei­ner Jour­na­lis­mus­aus­bil­dung und ein paar Jah­ren bei ver­schie­de­nen Me­di­en heu­te in der Mu­sik­bran­che in der Kom­mu­ni­ka­ti­on, als Ton­tech­ni­ke­rin und als Mu­si­ke­rin. Seit Herbst 2024 stu­diert sie Kunst in Wien.