, 23. Januar 2012
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Kaffee, Zigaretten und Allah

« … & der Rest ist Poesie», schreibt Wolf Wondratschek in «The Thrilla of Manila», einem Gedicht über den Boxer Mohammed Ali, der vor kurzem siebzig Jahre alt wurde. Einen Schlagabtausch lyrischer Art führte der Frankfurter Schriftsteller und Imam Hadayatullah Hübsch mit Florian Vetsch, dem literarischen Tausendsassa aus St.Gallen, und zwar von 2007 bis 2009. […]

« … & der Rest ist Poesie», schreibt Wolf Wondratschek in «The Thrilla of Manila», einem Gedicht über den Boxer Mohammed Ali, der vor kurzem siebzig Jahre alt wurde. Einen Schlagabtausch lyrischer Art führte der Frankfurter Schriftsteller und Imam Hadayatullah Hübsch mit Florian Vetsch, dem literarischen Tausendsassa aus St.Gallen, und zwar von 2007 bis 2009. Wenige Tage vor Hübschs völlig unerwartetem Tod am 4. Januar 2011 gingen die Fahnen zum letzten Mal hin und her. Geblieben sind 52 Gedichte, 52 Punches.

Hübsch beginnt, Vetsch übernimmt die Zeilenanzahl, knüpft an einem Motiv an. Die Themen sind direkt aus Hübschs Lebenswirklichkeit gegriffen: Rockmusik, Kaffee, Zigaretten und Allah. Er schreibt vom «Gesumme der elektrischen Typenrad-Schreibmaschine» das «den Neil-Young-Sound vom Inner Highway begleitet», vom lauwarmen Kaffee, in den er ein Babadschi tunkt, «als wäre es ein Herz, das wir in die Wogen der Weisheit senken, in der Hoffnung, es sauge sich voll mit Lebensessenz», von heilenden Zigaretten. Davon, dass wir uns, um mehr zu verstehen, enthäuten müssten: «Entleiben, das Herz aufgeben / Bis Körper und Gedanken / In Übereinstimmung / Mit dem Willen Allahs, / O Geschenk des Lichts!»

Vetsch erwidert mit Sequenzen aus seiner Wirklichkeit: Ravel, der im Laufwerk D kreist, Ira Cohen (1935 – 2011), dessen Übersetzer er war, «der jetzt im Jewish Home, Manhattan, liegt / Seit Wochen am Genesen, zäh». Wie er am «22. Oktober mit Carl / Weissner & Jürgen Ploog im La / Fourmi Luzern» las, als er erfuhr, dass seine Frau «da ihre / Aufenthaltsbewilligung C seit / 17 Tagen abgelaufen war (…) die Festung / Schengen in Tanger / Auf der Fähre nach Genua / Nicht betreten durfte».

Das ist das Interessante, das Schöne, das Vortreffliche an diesem poetischen Austausch: Er manifestiert sich direkt aus dem Leben. Literatur, Philosophie, Alltag münden in den Schreibfluss wie Erinnerungen, Nachrichten, Tiefsinniges und dadaistische Kalauer. Die Zeilen sind direkt, mitreissend wie gute Songs, und bleiben dabei existentiell. «Wer ist Gott? / Sie ist schwarz / Antwortete Gergory Corso / Völlig zurecht / Auf die Frage der Höchsten / Wissenschaft», schreibt Vetsch im letzten Gedicht «Unbeschriebenes Blatt».

Elf Zeilen weiter ist Schluss und ich reibe mir etwas ratlos die Augen. Derart reinziehen habe ich mich lassen von den beiden Dichteralchemisten, dass ich ein – logisches – Ende des Reigens gar nicht mehr wahrhaben wollte.

Pablo Haller

Hadayatullah Hübsch / Florian Vetsch: Round & Round & Round. Ein Gedichtzyklus. Songdog Verlag, Wien 2011.

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