Jux und Tollerei
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Endlich ist die Zeit vorbei, wo man mit viel taktischem Geschick seinen Weg durch die Innenstadt suchen musste, um dem Olma-St.Gallerfest-Kombi-Event, der unter dem harmlosen Namen «Weihnachtsmarkt» das Volk bespasste, auszuweichen.
Verirrte man sich trotzdem mal auf den Marktplatz, war kaum ein Durchkommen durch die fast ausnahmslos mit törichtem Ramsch bestückten Buden. Die ganze Szenerie war zudem beschallt mit Gedudel, das die heilige Familie beim Anmarsch auf Betlehem sofort in die Flucht geschlagen hätte. Ich hatte den Eindruck, sogar Vadian auf seinem Sockel habe einen leicht verkniffenen Zug um den Mund angesichts der Unmöglichkeit, dem Rummel zu entfliehen.
Interessant auch die offene Drogenszene, die sich zu seinen Füssen bildete. Literweise schütteten dort die Bedauernswerten einen industriell gefertigten, mit viel Zucker gestreckten Downer in sich rein. In der Szene ist das Produkt unter dem Namen «Glühwein» bekannt, und es soll fürchterliche Verheerungen an den Synapsen anrichten.
Von oben funkelten die AllerSterne um die Wette. Erfolgreich, wie es scheint. Sie waren während eines Monats das wohl meist fotografierte Motiv in der Stadt, wenn sich meine Instagram-Timeline nicht täuscht. Das Schöne an den Sternen ist ja, dass sie nicht auch noch tönen. Wenn man sich in ruhigere Seitengassen oder auf den Gallusplatz zurückzog, hatten sie sogar fast etwas Meditatives. Bloss interessierte das die «Weihnachtsmarkt»-Frequentierenden kaum, die gerieten schon eher aus dem Häuschen, wenn noch der Coca-Cola Truck in der Marktgasse Halt machte und dort den Höhepunkt an Jux und Tollerei setzte. Bestückt mit einem astreinen Amichlaus walzte das Werbeungetüm den letzten Rest urbaner Gelassenheit weg und versetzte die Glühwein-Benebelten in helle Aufregung. Sie begannen wie von Sinnen mit dem beliebten «Ich! Kamera. Ich!»-Spiel, auch bekannt als Selfie schiessen.
Der Amichlaus sah übrigens aus wie Karl Marx selig, was aber auch kein Trost ist.
Was wir hier während eines Monats erlebt haben, war die Trumpisierung von Weihnachten: laut und niveaulos.
Mein Vorschlag zur Güte: Nächstes Mal wird der Weihnachtsmarkt gleich aufs Olma-Areal verlegt, dann muss sich auch niemand mehr mit der Behauptung, es gehe bei dieser Veranstaltung in irgendeiner Weise um Besinnlichkeit, rausreden.
Dani Fels, 1961, ist Dozent an der FHS St.Gallen und Fotograf. Er schreibt monatlich die Stadtkolumne in Saiten. Diese erschien im Januarheft.